: Eins gegen eins
Die Berlinerin Katharina Kmietzyk will nicht taff sein. Gerade deshalb wird sie als Amateurboxerin ernst genommen. Nur nicht vom eigenen Verband
von MARIJA LATKOVIC
Sie will schlagen. Und geschlagen werden. Auch wenn sie gegen einen Mann im Ring steht. „Gerade dann muss man einstecken können“, sagt Katharina Kmietzyk, und es klingt wie: Bitte keine Sonderbehandlung, nur weil ich ein Mädchen bin. Ein typisches Mädchen wollte sie ohnehin nie sein, nicht im Alter von acht Jahren, als sie mit Jungs Fußball spielte. Und heute auch nicht, wenn sie Sparringspartner hat, die einen Kopf größer und fast doppelt so schwer sind.
In den sechs Jahren, die Kmietzyk beim SV Blau-Gelb Berlin boxt, ist das oft vorgekommen. Dass zwischen den Sandsäcken in der kleinen Halle am Weißen See Männer dominieren, daran hat sie sich gewöhnt. Obwohl es im Verein heute acht Boxerinnen gibt, ist der Sport eine Männerdomäne, in der Frauen nicht immer gerne gesehen sind. Auch wenn sie so talentiert sind wie die zierliche 20-Jährige.
„Schnelligkeit, Kraft und Ausdauer kann sich jeder antrainieren“, sagt ihr Trainer Rainer Kühn. „Kathi ist außerdem technisch sehr stark.“ So stark, dass sie wenige Monate nach ihrer Anmeldung im Verein bei den Studentenmeisterschaften der Amateurinnen antrat und den Titel holte. Die Boxer mussten mindestens 19 sein. „Aber Kathi war einfach so gut, dass ich sie mit einem falschen Alter angemeldet habe“, sagt Kühn. Im gleichen Jahr, 1998, gewann Kmietzyk auch noch die offenen Hamburger Meisterschaften und wurde 1999 Berliner Meisterin.
Vielleicht hätte sie eine gute Platzierung bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr geholt. Doch Trainer und Schützling erfuhren zu spät vom Termin. „Weil die da oben es vermasselt haben“, sagt Kühn mit einer Mischung aus Ärger und Enttäuschung, „die da oben wollen keine Frauen boxen sehen.“ Die da oben, die Verantwortlichen im Deutschen Box-Verband, würden sich zu wenig für „die Mädchen“ engagieren. Daran, dass die für diese Jahr angekündigten ersten deutschen Meisterschaften der Amateurinnen stattfinden, glaubt der Trainer auch nicht mehr: „Die da oben belächeln boxende Frauen wie Kathi doch noch immer.“
Wenn Kmietzyk dagegen dreimal die Woche zum Training erscheint, hört sie in der Halle weder dumme Sprüche, noch gibt es krumme Blicke. Gemeinsam mit den Männern wärmt sich die Kfz-Mechanikerin eine halbe Stunde beim Fußball auf, absolviert das gleiche Training: Seilspringen, Schattenboxen, Partnerübungen, Sparring.
Es ist unnötig zu fragen, wieso sie als Frau boxt. Aus dem gleichen Grund wie die Männer: „Eins gegen eins.“ Mit einem Lächeln sagt sie das, als sei es alltäglich, dass eine hübsche Frau in den Ring steigt und sich regelmäßig „ein blaues Auge oder eine fette Nase“ holt.
Bloß keine Ausnahme sein. Auch wenn Kühn sie bis zur Erschöpfung Kombinationen trainieren lässt: „Komm, Kathi, noch einmal.“ Links. „Und noch einen.“ Rechts-links. „Der letzte.“ Aufwärtshaken. „Und noch einmal.“ Punch. Und Schluss.
Es muss ein Gerücht sein, dass Boxerinnen entweder taff oder lächerlich oder beides sind. So wie Jacqui Frazier und Leila Ali oder Tonya Harding und Paula Jones. Die Töchter zweier Box-Legenden lieferten im vergangenen Jahr Teil vier der historischen Trilogie „Frazier-Ali“. Finster blickten sie in die Kameras und sagten Sätze wie: „Sie ist unwissend und hässlich und gehört nicht in denselben Ring wie ich.“
Harding, die ehemalige Eisläuferin, die einen Finsterling beauftragte, ihrer Rivalin Nancy Kerrigan eine Eisenstange vors Schienenbein zu schlagen, und die ehemalige Sekretärin von Bill Clinton standen sich vergangene Woche im „Kampf der bösen Mädchen“ gegenüber. Jones machte mit dem Vorwurf Schlagzeilen, Clinton habe sie sexuell belästigt. Veranstaltungen wie diese nähren die Vorurteile gegenüber boxenden Frauen.
Katharina Kmietzyk will weder Sprüche klopfen noch böse schauen müssen, um ernst genommen zu werden. Und vor allem will sie nicht diese Hübsches-Mädchen-haut-fest-drauf-Schiene fahren müssen, sagt sie – „so wie Regina Halmich“, Deutschlands erfolgreichste Profiboxerin. Um zu beweisen, dass auch Boxerinnen feminin sind, ließ sich Halmich in Penthouse und dem Männer-Magazin Maxim leicht bekleidet ablichten. „Die will sich doch nur vermarkten“, glaubt Kmietzyk. „Das schadet nur.“ Wie man es machen muss, um als Frau im Ring ernst genommen zu werden? „Wie die Männer“, sagt Kmietzyk. „Schlagen und einstecken können.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen