: Nice to meet you, Mr. Murdoch?
ja
Rupert Murdoch ist eine Wohltat für den deutschen TV-Markt. Er wird die gepflegte Langeweile unseres dualen Systems vertreiben, das Pay-TV-Projekt wieder auf Vordermann bringen. Seine politischen Interessen unterscheiden sich nicht von denen seines Kontrahenten Kirch. Murdoch geht dabei nur ehrlicher zu Werke – findet STEFFEN GRIMBERG
Welcome Mr. Murdoch. Nach gut zehn Jahren vereitelter Versuche, medial in Deutschland Fuß zu fassen, steht der internationale Medienunternehmer endlich kurz vor dem Ziel: Durch die Übernahme des Kerngeschäfts der KirchGruppe würde Rupert Murdoch zur dritten Kraft im deutschen Fernsehmarkt. Und dem würde das gut tun.
Nach den USA ist Deutschland der zweitgrößte TV-Markt der Welt. Doch das traute Oligopol von öffentlich-rechtlichem Block und den beiden privaten TV-Familien bedeutet Stillstand auf hohem Niveau. Mit Murdoch entstünde eine gesunde Unruhe im dualen System. Er verfügt über internationales Know-how, seine News Corporation ist als einziges Medienunternehmen wirklich global aktiv – mit Sendern von Asien bis Amerika.
Die Abwehrhaltung von ARD und ZDF bis Bertelsmann gegen das „Monster Murdoch“ spricht da Bände: Mit Murdoch hätte man plötzlich ganz neue Spielregeln im TV-Geschäft – so hatte auch Kirch stets argumentiert. Er hatte stets für ein gepflegtes „weiter so“ gesorgt. Und wie bei Kirch ist diese Ablehnung auch bei den anderen TV-Gewaltigen durch schnödes Eigeninteresse motiviert. „Die hatten sich ebenso schön in ihrem gemütlichen Oligopol eingerichtet“, lästerte Ex-RTL-Chef Helmut Thoma schon vor einigen Wochen.
Die Furcht vor dem „dirty digger“ Murdoch, der seine ersten Millionen mit Boulevardzeitungen in Australien und Großbritannien verdient hat, schreckt dabei vor gröbsten Vereinfachungen nicht zurück. Warum soll mit Murdoch der Niedergang des deutschen Fernsehens besiegelt sein? Glaubt jemand ernsthaft, der Mann würde Pro 7, Sat.1 und Co abschalten und stattdessen eine synchronisierte Version eines imaginären Murdoch-Channels ausstrahlen? Gerade weil News Corp. in so unterschiedlichen TV-Märkten unterwegs ist, weiß man dort, wie wichtig ein auf die jeweiligen kulturellen Gegebenheiten und Vorlieben zugeschnittenes Programm ist.
Natürlich birgt die Einbindung in internationale Verwertungsketten Gefahren. Was es aber heißt, bei eingebrochenen Werbeeinnahmen Gewinn orientiert Fernsehen zu machen, kann man schon jetzt bei Bertelsmanns RTL-Familie sehen: Der Marktführer verströmt gepflegte Langeweile.
Bleibt das politische Argument. Murdoch, der konservative, der unerbittliche Freibeuter des freien Marktes. Richtig ist: Rupert Murdoch stand den Reagenomics in den USA der Achtzigerjahre genauso nah wie Margaret Thatchers Politik in Großbritannien. In beiden Ländern haben seine Medien die damals herrschende Administration nicht zuletzt unterstützt, um so die medienpolitischen Verhältnisse zu ihren Gunsten zu verändern. An politischem Einfluss ist Murdoch weiterhin interessiert. Kirch und Bertelsmann gehen höchstens – deutsche Gepflogenheiten! – etwas subtiler zu Werke.
Der Bundeskanzler müsste über einen deutschen Medienunternehmer Murdoch geradezu entzückt sein. Schließlich unterstützt dessen Zeitungsimperium in Großbritannien längst nicht mehr die „Eiserne Lady“ und ihre letzten Ergebenen in der konservativen Partei. Sondern ist mit Billigung des Chefs auf die Seite von Tony Blairs New Labour umgeschwenkt. Die Schröder’sche Politik der Neuen Mitte dürfte Murdoch also durchaus bekannt vorkommen. Doch es steht hier nicht einmal die vollständige Übernahme der KirchGruppe nebst Beteiligung an Springers Bild auf der Tagesordnung, sondern nur das TV-Geschäft. Und wer sich um einen politischen Durchmarsch via Sat.1, Pro 7 oder Kabel 1 sorgt, macht sich erst recht lächerlich.
Dazu kommt: Murdoch wäre in vieler Hinsicht der ideale Erbe für Kirch. Wie der Kaufmann aus München ist der Zeitungsmann aus Adelaide eine spannungsgeladene Mischung aus kaltschnäuzigem Rechner und hitzköpfigem Spieler. Wie Kirch hat Murdoch oft alles auf eine Karte gesetzt, weil er an seine Idee glaubte. Und wie Kirch kennt er dabei das Gefühl, von Banken und anderen erbarmungslosen Geldgebern abhängig zu sein. Das Überleben seines Medienimperiums Anfang der Neunzigerjahre, so die Legende, verdanke Murdoch der Citibank – und dem unerwarteten Erfolg von „Kevin allein zu Haus“. Nur die Einnahmen aus dem in Murdochs Studios produzierten Film sollen damals die Pleite verhindert haben.
Dass Murdoch nun nach Kirchs Free-TV-Familie greift und das Pay-TV-Desaster Premiere meidet, verrät späte Einsicht: Unter den herrschenden Bedingungen im deutschen Fernsehmarkt liegt die Zukunft nicht im Pay-TV. Zusammen mit seinen Partnern wie Liberty-Chef John Malone dürfte Murdoch aber dafür sorgen, dass dies nicht so bleibt.
Den etablierten Sendern macht das Angst. Sie zieren sich vor konkreten Plänen für die digitale Zukunft, in der Murdoch schon längst zu Hause ist. Die Medienpolitik ziert sich mit. Zum Glück hat sie kaum eine Handhabe gegen den gebürtigen Australier. Während Murdoch noch die US-Staatsbürgerschaft erbetteln musste, um ins amerikanische Mediengeschäft einsteigen zu können, sehen deutsche Gesetze keine Beschränkungen für Ausländer vor, die im deutschen Fernsehen neue Spielregeln einführen wollen. Und das ist auch gut so.
nein
Rupert Murdoch ist opportunistischer Großkapitalismus in Reinform. Er tritt nur in Märkten an, um sie früher oder später komplett zu beherrschen. Er entscheidet Wahlen nach Gutdünken und wirtschaftlichem Kalkül. Wohin sein zynisches Geschäftsgebaren führen kann, zeigt das Beispiel Großbritannien – meint RALF SOTSCHECK
Ich bin kein Freund von Leo Kirch. Ob er mit seinem Imperium Pleite geht, ist mir egal. In einem aber hat Kirch Recht: Wenn der Medienzar Rupert Murdoch in Deutschland Fuß fassen sollte, gelten neue Spielregeln. Das hat der gerade 71 Jahre alt gewordene Verleger, der seine Karriere 1952 mit der Erbschaft von zwei australischen Provinzzeitungen begann, in Australien bewiesen, wo er inzwischen mehr als 70 Prozent des Tageszeitungsmarktes beherrscht. Das hat er in Großbritannien bewiesen, wo er 40 Prozent kontrolliert.
Früher, als er Student in Oxford war, galt Murdoch als radikaler Kommunist. Heute ist sein einziges Prinzip Profitmaximierung. Das gilt zwar für die meisten Unternehmen, aber Murdoch benutzt Politik und Politiker wie kein anderer. Welcher Richtung sie angehören, spielt dabei keine Rolle – solange sie seinen Geschäftsinteressen nützlich sind. In Australien unterstützt Murdoch mit seinen Publikationen die Labour Party. In Britannien war er früher Anhänger des Thatcherismus und setzte sein Medienimperium zielgerichtet gegen Labour Party, Gewerkschaften, Ausländer und soziale Randgruppen ein.
Margaret Thatcher dankte es ihm, indem seine Übernahmegeschäfte nicht unter die Lupe genommen wurden, obwohl sie gegen britisches Kartellrecht verstießen. Vor den Wahlen 1992 startete Murdochs Boulevardblatt Sun eine massive Kampagne gegen den damaligen Labour-Chef Neil Kinnock, der dann überraschend verlor. Die bedruckte Schlachtbank reklamierte den Tory-Wahlsieg für sich und hatte so Unrecht nicht: Ein Fünftel der Wahlberechtigten und ein Drittel der Unentschlossenen lesen die Sun.
Fünf Jahre später wechselte das Blatt das Mäntelchen und rief zur Wahl der Labour Party unter Tony Blair auf. In Blair hatte Murdoch einen willigen Komplizen gefunden, der ihm selbst in einem wichtigen Punkt ähnelt: Blair geht es einzig um seinen Machterhalt, und danach richtet er seine Politik aus. Der Besuch bei Murdoch in Australien vor den Wahlen 1997 war Blairs wichtigste Reise seiner Karriere. Er dankte Murdoch für die Unterstützung, indem er die Medienkontrolle weiter aufweichte und das Verbot von Dumpingpreisen aufhob. Bei der italienischen Regierung setzte sich Blair für die Genehmigung eines Murdoch-Deals ein.
Neulich lobte Murdoch die britische Presse als „einzigartig in der Welt“ und behauptete, ohne seine Blätter wäre Großbritannien weit weniger frei. Den Journalisten riet er, angesichts von Kritik furchtlos zu bleiben – sie seien einzig ihren Lesern verpflichtet. Aus seinem Mund sind diese Worte blanker Zynismus. Chefredakteure, die seiner Linie nicht bedingungslos folgen, werden gefeuert, das hat er bei der Times bewiesen. Aus den früheren Qualitätszeitungen Times und Sunday Times, die für ihren investigativen Journalismus berühmt waren, hat er binnen kürzester Zeit seichte Blätter gemacht, die die Propaganda ihres Herrn verbreiten.
Furchtlose Journalisten? Murdoch entscheidet persönlich über die politische Richtung seines Imperiums, und die hängt von seinen wirtschaftlichen Interessen ab. Chris Patten, der letzte britische Gouverneur Hongkongs, durfte seine China-kritischen Memoiren nicht in einem von Murdochs 40 Verlagen veröffentlichen, weil der Medienzar auch in China Fuß fassen möchte. Aus demselben Grund verbannte er 1994 die BBC von seinem Asiensatelliten. Die Sun, jene Parodie einer Zeitung, ist in Großbritannien seine wirkungsvollste Giftspritze. Die Botschaft des Blattes hängt freilich vom Verbreitungsgebiet ab: Der kleinformatige Schmutzkübel, der mit seiner Comicsprache und Biertischmoral zehn Millionen Leser täglich unterhält, trat in Schottland für die Teilunabhängigkeit ein. Die englische Ausgabe strotzt dagegen vor Nationalchauvinismus. Die englische Sun ist entschieden gegen Großbritanniens Beitritt zum Euro. In Irland, wo die neue Währung eingeführt wurde, begrüßte die Zeitung ihn als „neue Ära“.
Wer Murdochs finanziellen Interessen im Weg steht, muss sich auf einen harten Kampf einstellen. 1986 entließ er 3.000 Drucker und stellte ungelernte Arbeiter ein. Nach 13 Monaten Arbeitskampf war die Gewerkschaft finanziell am Ende, ihre Macht gebrochen. Seitdem sind Gewerkschaften in Murdochs britischem Imperium verboten, die gnadenlose Rationalisierung konnte ungestört weitergehen.
Unliebsame Konkurrenz versuchte er durch Dumpingpreise vom Markt zu drängen. Die Times kostete zeitweise nur 10 Pence. Und in den USA hat der französische Canal + eine Klage über eine Milliarde Dollar eingereicht, weil eines von Murdochs Unternehmen den Zugangscode des französischen Senders für den Pay-TV-Bereich geknackt und über das Internet Piraten zur Verfügung gestellt haben soll.
Ebenso, wie Bild im Vergleich zur Sun als Qualitätszeitung erscheint, so ist Kirch im Vergleich zu Murdoch das kleinere Übel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen