: Mit Sicherheit unsozial
Hamburgs Senat spart ein, wovon er nichts wissen will – so schafft die Drogen-, Aids- oder Frauenpolitik neue Probleme
aus Hamburg SANDRA WILSDORF
Wer in Hamburg Frau ist, sollte besser auch Mutter und berufstätig sein, um das Wohlwollen des neuen Senats zu genießen. „Keine Mutter soll deshalb ihrem Beruf nicht nachgehen können, weil sie keinen Platz in einer Kindertagesstätte bekommt“, versprach Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) zu Beginn ihrer Amtszeit, und das klang ja noch ganz vielversprechend.
Schon kurze Zeit später legte sie allerdings die Kehrseite dieses Frauenbildes auf den Tisch: radikale Kürzung fast aller Mädchen- und Frauenprojekte. Mit der Begründung, die Emanzipation der Frau sei in der Gesellschaft so weit fortgeschritten, dass es keine Projekte speziell für Frauen mehr zu geben bräuchte, macht die Senatorin auch nicht Halt vor Frauenhäusern, Beratungsstellen für Kinder als Opfer sexueller Gewalt, interkulturellen Frauenbegegnungsstätten und Projekten, die sich um psychiatrieerfahrene Frauen kümmern.
Dabei entlarvt der Senat seinen einseitigen Kriminalitätsbegriff: Auch das Projekt „Amnesty for Women“ sollte die Hälfte des Etats lassen, mit dem die Mitarbeiterinnen bisher unter anderem gegen Frauenhandel gekämpft haben. Doch dann ließ sich die Senatorin überzeugen, dass es einer Stadt, die für käuflichen Sex weltweit bekannt ist, gut zu Gesicht steht, ein bisschen Geld für die Kehrseite auszugeben. Sie schob die Kürzungen um ein Jahr auf.
Aber auch in anderen Bereichen machen die Herren und die zwei Damen Regierenden eine Politik für sich und ihresgleichen. Und weil in ihrem Leben Drogen nicht vorzukommen haben, kürzten sie kurzerhand zwei Drogenhilfeeinrichtungen in den Ruin. Auch hier versuchen sie den Sparkurs noch ideologisch zu untermauern – anstatt zuzugeben, dass das Geld schlicht für mehr Polizisten „gebraucht“ wird: Schills Gesundheitssenator Peter Rehaag verstieg sich zu der These, dass die „vielen“ Hamburger Hilfeeinrichtungen den Drogenkonsum erst ankurbelten. Das Fatale: Selbst erfahrene Drogenpolitiker der CDU, die bisher als fortschrittlich und kundig galten, pfiffen den Koalitionspartner nicht zurück, sondern bliesen in das gleiche dumpfe Horn.
Auch wer homosexuell ist, hat nach Ansicht des Senates heute keinerlei Probleme mehr – weil ja in fast jeder Vorabendserie mittlerweile auch ein netter Schwuler mitspielen darf. Und so wurde kurzerhand dem JungLesbenZentrum knapp die Hälfte des Etats gestrichen. Und weil man auch von HIV und Aids nichts wissen will, stehen die Aidshilfe und andere Projekte auf der Streichliste. Als existenzielles Problem dieser Stadt haben die Regierenden hingegen Graffitis erkannt und spendierten 500.000 Euro Anschubfinanzierung für ein Anti-Graffiti-Programm. Gleichzeitig werden dem Projekt „Hip Hop Hamburg“, das mit jugendlichen Sprayern arbeitet, 16.000 Euro gekürzt.
Mehr zu diesem Thema: Patriotische Gesellschaft, Trostbrücke 4 in Hamburg, ab 15.00 Uhr
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