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Eine Flut von fremden Freunden

„Modische Strukturen“ und „Gefahrensemantik“ beim Umgang mit den geliebten, gefürchteten Nichtdeutschen in den Medien: Wie deutsche Zeitungen über AusländerInnen berichten, und wie damit bestimmte Stimmungen gefördert werden

von ULRIKE SCHNELLBACH

Sebnitz war ein extremes Beispiel: Die Medien machten, gemeinsam mit einer trauernden Mutter, aus einem tödlichen Badeunfall einen rechtsradikalen Übergriff. Die Frage, ob Medien die Wirklichkeit abbilden oder sie beeinflussen, stellt sich da nicht mehr – die Antwort ist allzu offensichtlich. Aber auch in weniger spektakulären Situationen lässt sich zeigen, dass Medien die Realität formen, über die sie berichten.

Besonders deutlich wird das bei sensiblen Themen, wie zum Beispiel Ausländer. Die Ablehnung, auf die Nichtdeutsche in der deutschen Gesellschaft häufigstoßen, wird schon durch die Wortwahl geschürt, in der über sie gesprochen und geschrieben wird, behauptet der Kommunikationswissenschaftler Georg Ruhrmann. Wer mit Katastrophenbegriffen über ein Thema schreibe, müsse sich über Angstreaktionen nicht wundern. Wörter wie „Flut“ oder „Überschwemmung“ seien nicht adäquat für einen Vorgang, der von menschlichen Entscheidungen hervorgerufen oder beeinflusst werde. Die „Gefahrensemantik“ ist ein Merkmal, das der Kommunikationswissenschaftler in zahlreichen Studien über die Ausländerberichterstattung in deutschen Medien seit den 70er-Jahren immer wieder gefunden hat.

Ein weiteres sei die „quasi-modische Struktur“. Die Berichterstattung über Ausländer folge stärker als andere Themen einer Mode: Einmal haben Flüchtlinge Konjunktur, dann wieder rechtsradikale Übergriffe, jüngst der Islamismus. Alltagsthemen hingegen kommen im Zusammenhang mit Ausländern kaum ins Blatt, so der wissenschaftliche Befund.

Über Ausländer werde „immer nur als Täter oder Opfer“ berichtet, beklagt auch der Münchner Ausländerbeiratsvorsitzende Cumali Naz. Zwar hat der Presserat in seinem Kodex über journalistische Ethik festgelegt, dass die Herkunft von Straftätern nicht genannt werden soll, wenn die Information für das Verständnis nicht unerlässlich ist. Doch nach wie vor ist häufig von Verdächtigen „südländischen Aussehens“ zu lesen oder von „jungen Türken“, die deutsche Schüler bedrohten. Dabei sind in Deutschland lebende Ausländer nicht krimineller als deutsche Staatsbürger – und das obwohl es eine ganze Reihe Straftaten gibt, die quasi nur sie begehen können, zum Beispiel Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht. Trotzdem ist Kriminalität nach den Untersuchungen Ruhrmanns nach wie vor das Thema Nummer eins in der entsprechenden Berichterstattung.

Um ein realistischeres Bild der hier lebenden Migranten zu zeichnen, müssten die Journalisten „mehr mit ihnen sprechen als über sie“, fordert Cumali Naz. Ansätze gibt es durchaus. So hatte die Süddeutsche Zeitung vor zwei Jahren eine Serie über Ausländer in München, mit der sie den Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung gewann: Auf je einer ganzen Seite zeigten Lokalredakteur Felix Berth und seine Kollegen, „wo München griechisch ist, afrikanisch oder polnisch“. Es waren überwiegend positive Berichte über Menschen, die es zu etwas gebracht haben – Kneipenbesitzer, Sänger, Models. Arbeitslose, Flüchtlinge oder Straftäter kamen nicht vor. „Die Probleme kommen normalerweise genug ins Blatt“, rechtfertigt Berth die Herangehensweise, „da fanden wir eine leicht rosa gefärbte Brille für die Serie in Ordnung.“

Auch die Badische Zeitung packte das Thema im vergangenen Jahr an: Sie ließ ausländische Mitbürger selbst schreiben. So kamen fast 50 Beiträge ins Blatt, in denen Gastarbeiter, Studenten oder Flüchtlinge über ihre Erfahrungen berichteten – und in denen deutsche Leser nebenbei eine ganze Menge über sich selbst erfahren konnten.

Ebenfalls nicht nur um Täter oder Opfer ging es bei der aktuellen Berichterstattung über Zuwanderung. Der Debatte bescheinigt Ruhrmann ein „erstaunlich hohes Niveau“. Zumal nicht nur über Kosten und Probleme, sondern auch über Nutzen berichtet wurde – etwa über Greencard-Besitzer, in deren Umfeld weitere Arbeitsplätze entstehen, oder über Zuwanderung als Mittel gegen die Überalterung der Gesellschaft. Doch das Niveau brach innerhalb kürzester Zeit in sich zusammen, als das politische Gezerre über das Gesetz jede inhaltliche Berichterstattung in den Hintergrund drängte.

„Das eine tun und das andere nicht lassen“, empfiehlt Canan Topcu, türkischstämmige Lokalredakteurin der Frankfurter Rundschau: Um glaubwürdig zu sein, dürften die Medien „Probleme von und mit Ausländern nicht unter den Teppich kehren“. Doch sei ab und zu auch eine Art positiver Diskriminierung in Ordnung: Der KFZ-Meisterschüler türkischer Abstammung, der als bester abgeschnitten habe, sei durchaus einen 60-Zeiler wert, auch wenn man über einen deutschen Klassenbesten kein Wort verlieren würde. Solange es nicht alltäglich sei, dass Türken es an die Spitze schaffen, dürfe man es ruhig herausheben, so Topcu. Die Redakteurin selbst ist eine Ausnahme: Dass so wenig über das normale Leben von Ausländern in deutschen Zeitungen steht, liegt nicht zuletzt daran, dass es kaum Redakteure ausländischer Herkunft gibt.

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