: Polizei „streckt die Hand aus“
Bislang 42 Veranstaltungen rund um den 1. Mai angemeldet. Polizei verspricht, sich zahlenmäßig zurückzuhalten – und auch auf martialisches Auftreten zu verzichten
Zum ersten Mal in der 15-jährigen Krawallgeschichte des 1. Mai haben sich Polizei und Innensenator im Vorfeld des traditionellen Straßenkampftags vor dem Innenausschuss des Abgeordnetenhauses zur Deeskaltion bekannt. „Wir strecken die Hand aus und werden alles Erdenkliche tun, um keinen Anlass zu bieten, dass sich jemand durch zu viel und martialisch begleitende Polizeikräfte provoziert fühlt“, erklärte gestern der amtierende Polizeipräsident Gerd Neubeck. Bei den Straßenfesten würden nur Kräfte in legerer grünbeiger Beamtenkluft, also nicht im Kampfanzug, eingesetzt.
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sagte, er hoffe, dass die gescheiterte Initiative des Personenbündnisses um den FU-Professor Peter Grottian in den Köpfen der Demonstranten noch „eine Fernwirkung“ entfalte: dass die Leute aus politischen Motiven auf die Straße gingen und sich „im Sinne eines bürgerschaftlichen Engagements auch mal in den Arm fallen, wenn Steine geworfen werden“. Die Polizei, so Körting, „wird das Ihrige tun, um das zu ermöglichen“. Bislang sind 42 Veranstaltungen rund um den 1. Mai angemeldet worden.
Der Chef der Schutzpolizei, Gernot Piestert, rechnet dennoch bereits am 30. April, in der Walpurgisnacht, mit „krawallträchtigen Ansammlungen“ in Prenzlauer Berg, Friedrichshain und in Kreuzberg. Es sei zu befürchten, dass der Oranienplatz zum Anziehungspunkt für Punks werde. Dort sei eine politische Veranstaltung nebst Open-Air-Konzert mit vier Bands, „darunter eine seit Jahren bekannte Punkband“, angemeldet. „Was das bedeutet, brauche ich wohl nicht zu erläutern“, so Piestert.
Vier 1.-Mai-Veranstaltungen sind für die Polizei von besonderem Interesse. Die NPD hat für 11 Uhr eine Demonstration vom Ostbahnhof Richtung Alexanderplatz angemeldet. Die Polizei will die Route so nicht genehmigen und sucht mit dem Veranstalter nach einer Alternative. Auch mit den Organisatoren der um 13, 15 und 18 Uhr am Oranienplatz startenden „revolutionären 1.-Mai-Demonstrationen“ führt die Polizei noch Gespräche. Insbesondere die Abenddemo, die am Außenministerium vorbei durch „die Glasmeile Friedrichstraße“ (O-Ton Polizei) zurück zum Oranienplatz führen soll, könne wegen der Gerfahrenprognose so nicht genehmigt werden, sagte der Leiter des Führungstabs 1. Mai, Gerfried Lindner. Die Polizei hat eine Alternativroute in Richtung Hermannplatz vorgeschlagen.
Dass sich die Polizei um Zurückhaltung bemühen will, wurde von allen Abgeordneten außer denen der CDU begrüßt. Grüne, FDP und PDS warnten allerdings davor, die NPD-Demonstration zum wiederholten Mal in die östlichen Randbezirke abzuschieben. Zudem müsse es Gegendemonstranten ermöglicht werden, ihren Protest – so wie unlängst in Leipzig – in Sichtnähe der Nazis zu artikulieren. Körting will das prüfen. Er ließ aber keinen Zweifel daran, dass er einen größeren Abstand aus Sicherheitsgründen favorisiert. Auch „durch Zahlen“, sprich: viele Teilnehmer, könne man „Gesicht zeigen“. PLUTONIA PLARRE
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