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Gericht: Terror eine „Dauergefahr“

Auch das Berliner Kammergericht lässt die Rasterfahndung wieder zu. Die Gefahr von Terroranschlägen könne sich „jederzeit“ realisieren. Nach dieser Entscheidung ist die umstrittene Fahndungsmethode derzeit nur noch in Hessen gerichtlich untersagt

von CHRISTIAN RATH

Die Rasterfahndung in Berlin kann fortgeführt werden. Dies entschied jetzt das Berliner Kammergericht und hob damit einen entgegenstehenden Beschluss des Berliner Landgerichts auf. Damit ist die Rasterfahndung gegen unerkannte islamistische Terroristen derzeit nur noch in Hessen gestoppt.

Nach dem Berliner Polizeigesetz (ASOG) darf eine Rasterfahndung nur bei einer „gegenwärtigen Gefahr“ angeordnet werden. Auf Klage von einem algerischen und zwei sudanesischen Studenten hatte das Landgericht im Januar eine akute Gefahr von Terroranschlägen jedoch verneint. Als Beleg führte das Gericht beschwichtigende Äußerungen der Bundesregierung an. „Gegenwärtig“ sei eine Gefahr nur, so das Landgericht, wenn sie sich „in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ verwirkliche.

Diese Argumentation wies das übergeordnete Kammergericht nun aber zurück. Wenn Anschläge mit tausenden von Toten drohen, dann seien geringere Anforderungen an die mögliche Nähe des Schadenseintritts zu stellen. Das Gericht verwies auf die Gefahr von Angriffen auf Kernkraftwerke, Chemieanlagen und Talsperren. Abzustellen sei auch nicht nur auf Anschläge in Deutschland oder gar Berlin. Vielmehr drohten – unter anderem wegen der Militärmaßnahmen in Afghanistan – Angriffe in der gesamten „westlichen Welt“.

Das Kammergericht stufte die derzeitige Gefahr von Anschlägen als „Dauergefahr“ ein, die sich „jederzeit“ erneut verwirklichen könne. Die Richter verglichen die Situation mit einem baufälligen Turm, der sofort oder auch erst später zusammenstürzen könne. Auch vor den Anschlägen am 11. September habe es keine konkreten Anzeichen gegeben. Der jüngste Anschlag auf die Synagoge von Djerba, bei dem auch deutsche Urlauber starben, wird in dem bereits vor einer Woche abgefassten Beschluss nicht erwähnt.

Ähnliche Entscheidungen hatten zuvor das Oberlandesgericht Düsseldorf und das Oberverwaltungsgericht Koblenz getroffen. Bei den Obergerichten gibt es damit eine eindeutige Tendenz für die Annahme einer „gegenwärtigen Gefahr“.

Nur das Oberlandesgericht Frankfurt/Main hatte in seinem Urteil Ende Februar anders entschieden. Deshalb hat die hessische CDU/FDP-Landesregierung von Roland Koch inzwischen einen Gesetzentwurf vorgelegt, der das Merkmal der „gegenwärtigen Gefahr“ aus dem dortigen Polizeigesetz entfernt. Schon im Juni soll die Novelle im Landtag verabschiedet werden. Damit würde die hessische Gesetzeslage an die Situation in Baden-Württemberg angeglichen, wo ebenfalls keine besondere Gefahrenlage für den Einsatz der Rasterfahndung erforderlich ist.

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