: Nichts Genaues weiß Nehm nicht
Generalbundesanwalt Kay Nehm kann auch nach der Festnahme von 13 Terrorverdächtigen keine Hinweise vorlegen, dass es konkrete Pläne für einen Anschlag in Deutschland gab. Wer sich hinter der Gruppe al-Tawhid verbirgt, bleibt weiter unklar
von PASCAL BEUCKER
Die Bundesanwaltschaft und das Bundeskriminalamt haben bislang keine Hinweise, dass die mutmaßliche deutsche Zelle der islamistisch-palästinensischen Bewegung al-Tawhid bereits Anschläge auf konkrete Ziele plante. Das teilten der Generalbundesanwalt Kay Nehm und der Vizepräsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Bernhard Falk, gestern in Karlsruhe mit.
Es gebe nur angesichts der militärischen Aktionen in Afghanistan und der Zuspitzung der Lage in den palästinensischen Autonomiegebieten „Anhaltspunkte, dass die Angehörigen der Zelle dazu übergehen wollten, Anschläge in Deutschland zu begehen“, sagte Nehm. Im Zielfeld sollen sich israelische und jüdische Einrichtungen befunden haben, ohne dass dabei bereits konkrete Objekte ins Visier genommen wurden.
Nehm sagte weiter, seit Dienstag seien insgesamt dreizehn mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer der Gruppe festgenommen worden. Gegen acht ergingen zwischen Haftbefehle. Sie würden der Mitgliedschaft oder der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung beschuldigt. Als Kopf der Gruppe gilt der 36 Jahre alte Palästinenser Mohamed Abu D. alias Yaser H. alias Abu Ali aus Essen, gegen den ebenfalls ein Haftbefehl bewirkt wurde. Drei der Verdächtigen seien inzwischen wieder auf freiem Fuß. Bei einem am Mittwoch Festgenommenen würde die Haftfrage noch geprüft.
In der Frage, wer sich genau hinter al-Tawhid verbirgt, blieb Nehm auch gestern vage. Al-Tawhid sei „weniger eine Gemeinschaft oder Organisation als vielmehr eine ideologisch-religiös ausgerichtete Bewegung Gleichgesinnter, die auf der Grundlage eines aggressiv-militanten islamischen Fundamentalismus den weltweiten Dschihad aller Glaubensbrüder fördert und unterstützt“, sagte der Generalbundesanwalt. Die Bedeutung der Bewegung liege „in der Achse Afghanistan–Jordanien–Palästina–Deutschland“. Ihre Wurzeln lägen in Jordanien. Sitz der Bewegung in Europa solle Großbritannien sein. Bislang seien allerdings keine Anschläge von Personen in Europa bekannt, die sich al-Tawhid zurechneten.
Spiritueller Kopf von al-Tawhid sei der in London lebende und lehrende Islamist Abu Qatada. Der inzwischen untergetauchte jordanische Staatsbürger palästinensischer Herkunft, der in Jordanien zum Tode verurteilt wurde, gilt als „Botschafter Bin Ladens in Europa“.
Als „operativen Führer“ bezeichnete Nehm den ebenfalls abgetauchten Abu al-Zaquawi. Der Islamist soll in Afghanistan ein Ausbildungslager betrieben haben und Ende vergangenen Jahres von dort „in ein nahöstliches Land“ geflohen sein. Er spiele eine „ganz erhebliche Rolle“, so Nehm. Die deutsche Zelle sei nach den vorliegenden Erkenntnissen zwar in ein internationales konspiratives Netz, jedoch nicht in eine feste Struktur eingebunden gewesen. Nehm bezeichnete den deutschen „al-Tawhid“-Ableger als „eine geschlossene Gruppe für eine bestimmte Aufgabe“. Welche auch immer.
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