Der Kultursenator im Off

Thomas Flierl (PDS) tritt im kulturellen Leben der Stadt kaum in Erscheinung. Er hat einige Kürzungen und viele Gespräche angekündigt. Darauf wartet die Stadt auch nach 100 Tagen – besonders die Kulturschaffenden

Als Kultursenator in Berlin darf man alles sein: ein Arbeitstier, ein Impresario, ein Schlitzohr, Schöngeist oder eben mal ein kompetenter Interessenvertreter der Künste. Nur eines darf man als Kultursenator niemals sein: ein Off.

PDS-Mann Thomas Flierl ist als Kultursenator bisher mehr off als on geblieben. Wo war der Senator beim Richtfest des Deutschen Historischen Museums und der Ehrung für den Architektern Ieoh Ming Pei, fragten viele? Bei der Zeremonie zur Übergabe des Abschlussberichts der Schlossplatzkommission hat man ihn ebenfalls nicht gesehen. Und auf der Berlinale, wo er sich zum Amtsantritt hätte rumtreiben müssen, begegnete man dagegen seiner Vorgängerin fast täglich. „Flierl ist der Senator im Off“, bemerkte damals ein Filmproduzent.

In der Tat muss man in den ersten 100 Tage des Kultursenators die Abwesenheit seines Profils bilanzieren. In Erscheinung getreten war Flierl zwar bei den Haushaltsverhandlungen, die ihm und seinem Etat ein zusätzliches Loch von 27 Millionen Euro eingebracht haben. Der Ruhm, die Sparauflagen von 200 Millionen Euro abgewendet zu haben, verblasste aber, als vom Bund die Meldung kam, dass dieser nicht bereit sei, die pauschalen Minderausgaben von 27 Millionen Euro – ebenso wie die Kosten zur Museumsinsel ab 2003 – zu übernehmen.

Etwas wahrgenommen wurde Flierl noch bei den Ankündigungen, ein paar Künstlereinrichtungen zu schließen, die Ballett-Ensembles von Deutscher und Staatsoper zu vereinigen und ein Rosa-Luxemburg-Denkmal vor der PDS-Zentrale errichten zu wollen. Das war’s an wenig hauptstadtgerechten Petitessen. Seither ist der Senator irgendwie voll untergetaucht.

Dabei gäbe es wahrlich genug Handlungsbedarf, der Präsenz verlangt: Was ist aus dem „Forum Kultur“ geworden, das die Weichen für eine Strukturreform der großen Bühnen und neue Modelle für die junge Szene in der Hauptstadt stellen sollte? Was wird aus den Musikhochschulen „Hanns Eisler“ und „Ernst Busch“ sowie der Kunstschule Weißensee, denen Subventionen von insgesamt 1,8 Millionen Euro gekürzt werden sollen? Wie sehen die Bund-Länder-Gespräche zur Zukunft der Kulturförderung und Systematisierung aus, kommt die Privatisierung des Theaters des Westens und gibt es neue Geldgeber zur Rettung des Landesmuseums Berlinische Galerie?

Niemand hat erwartet, dass Flierl in kurzer Zeit alle Probleme der Berliner Kultur auf einmal stemmt. Verlangen konnten die Kulturschaffenden von ihm allerdings, dass er sich mit ihnen unterhält, bevor er aus dem Off etwa ein Streichkonzert durch die Presse sendet.

Als „vorsätzliche Geistes-Abwesenheit“ bezeichnete der Leiter des Kunsthauses Bethanien die durch die Medien bekannt gewordenen Schließungsandrohungen und Mittelkürzungen von rund 900.000 Euro für sein Haus, das Podewil und den Ausstellungsort Kunst-Werke e. V. Das sei ein „Schlag ins Gesicht der zeitgenössischen Szene“, so die allseitige Kritik.

Ein paar Tage später revidierte der Senator die Sparpläne, entschuldigte sich und kündigte Gespräche an. Darauf wartet die Stadt seit 100 Tagen. ROLA