Die Perlen von Prof. Muldrow Griffith

Wer ist Ralph Bunche? Immerhin erhielt der Afroamerikaner 1950 für seine Friedensvermittlung im Palästinakrieg den Friedensnobelpreis: Bis zum 5. Mai beherbergt das Klick Filmtheater das „Black International Cinema“

An Colin Powell werden sich die meisten Menschen im Jahr 2060 nicht mehr erinnern können, ihn höchstens für einen entfernten Cousin von Jazzpianist Bud halten. Unwahrscheinlich? Okay, wer war Ralph Bunche? Nach dem 2. Weltkrieg kannte den Namen jeder, der regelmäßig Zeitung las. Er bildete eines der ersten Glieder einer inzwischen langen Kette aus Vermittlungsversuchen im Nahen Osten. Bunche errang im Palästinakrieg 1949 im Auftrag der UNO einen Waffenstillstand zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn und erhielt 1950 dafür den Friedensnobelpreis. Später schickten ihn die Vereinten Nationen überall dort hin, wo die Kolonialmächte Schwierigkeiten hatten, einen seichten Abgang zu zelebrieren. Anfang der 60er-Jahre avancierte der Diplomat auf diese Weise zum UN-Sonderbeauftragten im Kongo. Ganz nebenbei war er auch einer der ersten Afroamerikaner, der außerhalb der Entertainment-Branche internationale Bekanntheit erreichte.

William Greaves zeichnet in seinem Film „Ralph Bunche: An American Odyssee“ das dichte Porträt eines Menschen, an dessen Biografie sich eben mal ein paar weltpolitische Themenkomplexe wie Nahostkonflikt, Dekolonialisierung, Rassentrennung und Kommunistenhatz in den USA knüpfen. Im Filmgeschäft steckt Greaves selber in der Rolle des unbekannten Großen: Seit den 70er-Jahren ist er engagierter Dokumentarfilmer, der sich bei einer Idee auch nicht von Finanzierungsproblemen abschrecken lässt. Bei dem Projekt über Bunche wandte er sich an mehr als 200 Stiftungen, 400 Unternehmen und 100 schwarze Firmen. Der Film lief schließlich im vergangenen Jahr auf dem Sundance Festival.

Solche Perlen landen irgendwann im Tempelhofer Wohnzimmer von Prof. Donald Muldrow Griffith und seiner Frau Gayle. Hier liegt die Keimzelle des „Black International Cinema“, einer der Kostbarkeiten im deutschen Filmbiotop. Nunmehr zum 17. Mal präsentieren die beiden US-Amerikaner mit ihren Kollegen vom Fountainhead Tanz Theatre Filme, die zusammen mehr als nur ein buntes philanthropisches World-culture-Allerlei bilden. Das Festival quotiert aber Filme nicht nach Hautfarbe, „black“ bedeutet hier eine „schwarze“ Position. Man sieht sich als Diskussionsforum, nicht als Festival für Minderheiten, die im Laufe der Geschichte immer wieder den Kürzeren gezogen haben und hier auch mal zu Wort kommen dürfen.

Das Spektrum des „Black International Cinema“ reicht in diesem Jahr von einer vierminütigen türkischen Videokunstinstallation über eine schweizerische Liebeskomödie bis zu einem erschütternden Dokumentarfilm über die Nachwirkungen des Erdbebens im indischen Gujarat im Januar des letzten Jahres. Einen kleinen Schwerpunkt bildet eine Reihe von Filmen über schwarze Aktivisten und politische Ikonen. Neben einer poetischen Erzählung über das Leben Harriet Tubmans sticht vor allem ein Film über Marcus Garvey hervor, jenen bedeutenden schwarzen Denker, über den so unendlich viele Lügen und Dummheiten kursieren. Ein wichtiger, aber etwas spinnerter schwarzer Aktivist jamaikanischer Herkunft sei er gewesen, zu dessen verrückten Plänen es auch zählte, Amerikaner nach Afrika zurückzubringen. Ein Projekt, das ebenso wenig von Erfolg gekrönt war wie das Vorhaben, ein schwarzes Schifffahrtsunternehmen, die „Black Star Line“, auf die Beine zu stellen. „Marcus Garvey: Look for me in the Whirlwind“ von Stanley Nelson schildert den anderen Teil der Geschichte: Um 1920 zählte die von Garvey gegründete Universal Negro Improvement Association in den USA rund 750.000 Anhänger. Die Negro World stellte die Zeitung mit der größten Auflage in Amerika dar. Ein junger J. Edgar Hoover beobachtete aufmerksam die Entwicklung und machte es sich zur Aufgabe, in einem Vorläufer des FBI systematisch an der Unterwanderung der Bewegung zu arbeiten.

Dieser Film illustriert, warum sich das „Black International Cinema“ stets gegen eine Reduktion auf eine Außenseiterposition gewehrt hat, warum es dagegen ankämpfte, seine Wertschätzung lediglich im Fokus aufs „Periphere“ zu sehen, das letztlich nur eine unzureichende gesellschaftliche Wahrnehmung widerspiegelt. SUSANNE BUG

Bis zum 5. Mai im Klick Filmtheater, Windscheidstr. 19, Charlottenburg