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Likud fällt Scharon in den Rücken

Gegen den Willen von Israels Premierminister votiert die Regierungspartei Likud gegen einen Palästinserstaat. Scharons Widersacher, Benjamin Nethanjahu, triumphiert. Außenminister Peres sieht keinen Grund für ein Verlassen der Regierung

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Man musste fast Mitleid mit ihm haben. Als Premierminister Ariel Scharon vor dem Zentralrat des Likud seine Argumente gegen eine Abstimmung über das Für und Wider eines Palästinenserstaates auflistete, ließen ihn die Aktivisten kaum zu Wort kommen. Erst nachdem Benjamin Netanjahu, ehemaliger Premier und Scharons Vorgänger als Parteichef, die Menge beruhigte, konnte der sichtlich mitgenommene Redner fortfahren. Schützenhilfe, ausgerechnet von dem Mann, der im Zentrum seiner Kritik stand. Der Zentralrat schlug sich auf die Seite des Stärkeren und votierte zunächst mit Ja zur sofortigen Abstimmung, die eine überragende Mehrheit gegen die Gründung eines „Palästinenserstaates westlich vom Jordan“ erbrachte. Scharon argumentierte, dass das Thema „Palästinenserstaat“ derzeit nicht auf der Agenda stünde. Im September hatte er eine Staatsgründung befürwortet. Doch die Aktivisten setzten sich durch, allen voran Netanjahu.

Die Sitzung des Zentralrates, bei der nur etwa die Hälfte der 2.600 Aktivisten teilnahmen, konzentrierte sich ohne Zweifel auf die beiden Männer, die 2003 um den Parteivorsitz ringen werden. Netanjahu bombardierte den Premierminister mit Anschuldigungen, er unterminiere „die nationale Sicherheit“, und rief auf, nicht an dem bevorstehenden Nahostgipfel teilzunehmen. Scharon konterte, Netanjahu habe schließlich bei dem ersten Nahostgipfel vor zehn Jahren Israel mit repräsentiert. Der Terror sei nicht „mit schönen Reden und Büchern“ zu bekämpfen, sagte er. „Ich habe Arafat nicht die Hand gegeben und ihn meinen Freund genannt.“

Erst gegen Mitternacht wurden die Ergebnisse der ersten geheimen Abstimmung bekannt gegeben. 465 waren gegen das Votum über einen Palästinenserstaat, 696 dafür. Scharon sagte, er akzeptiere „jede demokratisch getroffene Entscheidung“ und kündigte an, „Israel und das Volk Israel gemäß der Überlegungen, die mich immer antrieben“, weiter zu regieren. Bei der offenen Abstimmung über die Gründung eines Palästinenserstaates wurden nur drei Gegenstimmen gezählt. Außenminister Schimon Peres (Arbeitspartei) bezeichnete das Ergebnis als „tragisch für den Staat Israel“. Er sehe aber keinen Grund, die Koalition zu verlassen. Netanjahus Vision einer Selbstverwaltung sei eine Illusion. „Solange sie unter unserer Kontrolle stehen, werden sie reagieren, wie sie reagieren.“

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