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Die Affäre ist noch nicht zu Ende

Neue Enthüllungen belasten den SPD-Wahlkampf im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Auf einem schwarzen Konto der Kölner SPD-Ratsfraktion fehlen mehrere zehntausend Mark

KÖLN taz ■ Franz Müntefering hat sich zu früh gefreut. Vollmundig erklärte der SPD-General am 5. Mai die Spendenaffäre seiner Kölner Genossen für „konsequent aufgeklärt“. Nach vorne wollte er schauen und sich nur noch mit dem bevorstehenden Bundestagswahlkampf beschäftigen.

Daraus wird nichts. Nun ist bekannt geworden, was Norbert Rüther bereits Mitte März vor der Staatsanwaltschaft ausgesagt hat. Während seiner Amtszeit als Geschäftsführer der Kölner SPD-Ratsfraktion habe er 30 bis 35 so genannte „Danke-schön-Spenden“ empfangen. Bisher waren nur 14 Spenden von 9 Unternehmen bekannt geworden – im Zusammenhang mit der Kölner Müllverbrennungsanlage. Offenbar wurde auch bei anderen städtischen Großprojekten kräftig danke gesagt. Ebenfalls brisant: Das „Danke-schön-System“ will Rüther von seinen Vorgängern nur übernommen haben. Es muss also schon in den 80er-Jahren gängige Praxis gewesen sein.

Der frühere Fraktionschef Klaus Heugel machte Rüther nach dessen Angaben auch mit einer weiteren Besonderheit der Kölner SPD-Ratsarbeit bekannt: einer schwarzen Fraktionskasse in Höhe von 300.000 bis 350.000 Euro, die bereits in den 70er-Jahren zunächst regulär entstanden war. Von diesem „Kontensystem“ soll auch der bisherige Vize-Fraktionschef Heinz Lüttgen zumindest eine ungefähre Kenntnis gehabt haben. Den Vorwurf weist Lüttgen bisher entschieden zurück. Trotzdem legte der 59-Jährige am Montag Abend sein Ratsmandat nieder.

Nach taz-Recherchen wurde aus der schwarzen Kasse nach Gutdünken Geld in Bar abgehoben. So sehr sich ein von der SPD angeheuerter Wirtschaftsprüfer auch bemüht hat: Für einen Betrag von vermutlich mehreren zehntausend Mark ließ sich kein Verwendungsnachweis finden. „Wir können momentan nicht alles wirklich nachvollziehen“, räumte ein führendes SPD-Fraktionsmitglied ein. Inzwischen dämmert auch SPD-Bundesschatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier: „Die Affäre ist für uns noch nicht zu Ende.“

Ein Problem haben die Genossen auch mit den Parteiordnungsverfahren gegen mindestens 30 angebliche Empfänger fingierter Spendenquittungen. Ausgerechnet die SPD-Landesschiedskommission, die unter anderem über das politische Schicksal des Bundestagskandidaten Werner Jung und der Landtagsabgeordneter Annelie Kever-Henseler entscheiden soll, ist immer noch nicht arbeitsfähig. Nach zwei Rücktritten ist der Vorsitz des Gremium verwaist. Der designierte neue Vorsitzende, der Meinerzhagener Bürgermeister Erhard Pierlings, will bislang nicht verraten, ob er den unbeliebten Posten übernehmen will. Erst am heutigen Mittwoch werde er mit weiteren Mitgliedern des Gremiums „darüber sprechen, wie es weitergehen wird“, so Pierlings zur taz. „Bis dahin sage ich dazu nichts.“

In Köln wächst der Unmut über die Landespartei. „Die sollen endlich voranmachen“, klagte der Kölner SPD-Schatzmeister und designierte neue Ratsfraktionschef Martin Börschel. Auch Parteichef Jochen Ott ist verärgert: „Für viele Leute bedeutet diese Verzögerung doch, dass sie völlig in der Luft hängen.“ So wie Werner Jung: Er hat inzwischen mit seinem persönlichen Wahlkampf um ein Direktmandat begonnen – und weiß nicht, ob die SPD ihn am 22. September überhaupt zur Wahl stellen wird.

PASCAL BEUCKER, FRANK ÜBERALL

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