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Ein bewegter Mann

Eine Story ohne Happyend: „Tagesschau“-Sprecher Jens Riewa und Sängerin Michelle lassen sich durch die „Bild“-Zeitung als Traumpaar inszenieren – und die Geschichte zweier einsamer Herzen auf der verzweifelten Suche nach Publicity erzählen

von JAN FEDDERSEN

Er ist ein Mann von 38 Jahren, der im spreewäldischen Lübben aufgewachsen ist, in der DDR noch das korrekte Vorlesen erlernte, Anfang der Neunzigerjahre in den Westen und 1994 auf Vermittlung des damaligen „Tagesschau“-Chefsprechers Werner Veigel nach Hamburg kam, um das Sprecherteam der ARD-Nachrichtensendungen zu verstärken. Sie ist 30 Jahre alt, im Schwarzwald unter erbarmungswürdigen Umständen aufgewachsen, allein erziehende Mutter zweier Kinder und erfolgreiche Sängerin. Er heißt Jens Riewa, sie Tanja Hewer, die sich berufstätig aber Michelle nennen lässt.

Beide leiden momentan unter einem gewissen Aufmerksamkeitsverlust durch die Glamourszene. Ihre jüngste Tonträgerproduktion ging nicht ganz so gut; seine Prominenz beschränkt sich auf eben jene ARD-Nachrichtensendungen. Die einst von ihm moderierten Schlagersendungen sind eingestellt worden.

Riewa nun rückte vor genau einer Woche mit einer an Bizarrerie kaum zu übertreffenden Schlagzeile auf die Seite eins der Bild-Zeitung: „Die Liebessensation des Jahres“, stand dort zu lesen. Seit Monaten habe er mit Michelle eine Affäre, die für ihn keine gewesen sei, denn erstens sei es die Liebe seines Lebens, aber zweitens habe er „noch nie so guten Sex wie mit ihr“ gehabt, sie sei „im Bett eine Granate“. Schon dies hätte stutzig machen müssen, selbst wenn man den Bild-Aufgrellungsfaktor abzieht: Ein guter Liebhaber, ein Mann, der schönen Sex gehabt hat, vergibt öffentlich keine Noten – selbst als Kompliment klingt es unappetitlich unglaubwürdig.

Nachdem tags darauf Riewa die Geschichte mit Michelle – von der die als vertratscht bekannte Showbranche nie auch nur eine Silbe gerüchteweise überlieferte – mit Details anreicherte (wie gern er die Kinder von ihr adoptiert hätte, dass er sie am liebsten sofort geheiratet hätte), antwortete dem Gesetz des Boulevards gemäß am Sonnabend die Angebetete höchstpersönlich: „Jens und ich waren ein normales Liebespaar. Niemand muss sich dafür schämen, auch wir nicht.“ Im folgenden Text erfragt das Blatt, was an der Story der echte Kern ist: „In diesen Tagen wuchsen die Spekulationen in den Himmel. Hässliche Fragen wurden gestellt: Hatte sich Riewa nur mit Michelle gebrüstet? Ist er eine Maulhure?“

Maulhure – welch schönes Wort. Gemeint war im Falle Riewas, so Bild, ob er „nur von seiner angeblichen Homosexualität ablenken“ wolle. Darum geht es: der Sängerin um ein wenig Publicity, dem Sprecher um einen Zustand der Reinwaschung, denn seit 1998 hängt ihm tatsächlich der Ruf an, schwul zu sein, ohne den Arsch in der Hose zu haben, dies eben selbstverständlich zu nehmen – so wie es sein Mentor, oben erwähnter Werner Veigel nämlich, auch tat. Riewa aber verklagte 1998 den Berliner Querverlag und erstritt eine Geldstrafe von 7.000 Mark, weil in dem Buch „Out“ Riewa zum homosexuellen Promipersonal gezählt wurde. Er habe nichts gegen Homosexuelle, so gab er vor Gericht kund, aber, so weiter in einem Interview mit der Bunten, er wolle „der Frauenwelt“ nicht verloren gehen. Was muss dieser Mann eine Angst haben, für schwul gehalten zu werden. Besser: Männern, die begehrende Augen auf Frauen werfen, ist egal, für was man sie hält. Wer aber so laut betont, ebendies auch zu tun, erweckt Irritation.

Michelle jedenfalls, die nicht als In-die-Pfanne-Hauerin bekannt ist, attestierte ihm nun öffentlich, dass er mit ihr eine Beziehung gehabt habe. Prekär nur, dass Riewa inzwischen auf RTL („Explosiv“) eingeräumt hat, dass der granatige Sex vor allem einer der kuscheligen Variante war – altmodisch begriffen: Es kam nicht zum Vollzug. Die Homozeitung Queer jedenfalls lästerte knapp, den Prozess Riewa gegen Querverlag erinnernd: „Der Tagesschausprecher kuschelt sich in den nächsten Fettnapf.“

Die Bild hat die Riewa-Story längst begonnen runterzufahren. Auffällig nur, dass Susan Stahnke, „Tagesschau“-Sprecherin mit dem Hang nach Hollywood, für ein eher spießiges Nacktbeinfoto vom Job entbunden wurde. ARD-Chefredakteur Bernhard Wabnitz soll Jens Riewa einen Brief geschrieben haben, in dem er ihn auffordert, Publicity jener Sorte künftig nicht zu befördern. Riewa hat in einer Antwort dies zwar versprochen. Aber kann sich ein Mann im Zaum halten, der vor nichts so sehr Angst zu haben scheint wie davor, für schwul gehalten zu werden?

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