: Begnadigung auf Zeit
Der „Focus“ will eine zweifelhafte Unterstützung für RTL Television durch Gerhard Schröder ausgemacht haben
Was Edmund Stoiber für Leo Kirch, ist Gerhard Schröder für RTL, mag man sich bei Focus gedacht haben. Also hat die Nachrichtenillustrierte eine Geschichte aufgedeckt, die endlich erklären könnte, warum die RTL-Nachrichten so notorisch regierungsfreundlich sind. „Gnädige Großzügigkeit: Schröder sparte RTL zehn Millionen“, steht da in der aktuellen Ausgabe des Münchner Blattes.
Seit fünf Jahren drücke der Kölner Sender, für dessen Lizenzierung die Landesmedienanstalt Niedersachsen zuständig ist, sich nämlich – mit Unterstützung des damaligen Landeschefs, Gerhard Schröder – um die Zahlung eines Bußgelds wegen zu viel Werbung. Die Reihe „Der große TV-Roman“ gilt bei RTL als Serie und somit dürften die einzelnen Filme häufiger unterbrochen werden, als das bei sonstigen Spielfilmen der Fall wäre. Ein neues Beispiel für Unternehmensförderung ohne Rücksicht auf langfristige Landesinteressen wie bei Kirch?
Alles Unsinn, stellt RTL die Focus-Meldung nun via Pressemitteilung richtig. Die zwei Verfahren gegen RTL, von denen in der Nachrichtenillustrierten die Rede ist, seien in Wahrheit nur eines, und das sei noch gar nicht entschieden. Bei dem „Vollstreckungsaufschub gnadenhalber“, den Focus ausgemacht haben will, handele es sich um eine ganz normale Vorgehensweise. „Die Justizministerin hat bei ihrer Entscheidung das ordnungsgemäße Verfahren angewandt“, sagte eine RTL-Sprecherin der taz. „Das ist nichts Ungesetzliches und nichts, was die Staatskasse in irgendeiner Weise schädigt.“ So müssten die zehn Millionen Euro mit sechs Prozent pro Jahr versteuert werden, und der Aufschub gelte nur so lange, bis das Oberverwaltungsgericht Lüneburg endgültig über den Fall entschieden hat.
Ob das nun entscheidet, dass die inhaltlich völlig unzusammenhängenden TV-Romane als Serie gelten oder nicht, der Focus wird sich wohl eine bessere – wahrscheinlich auch kompliziertere – Erklärung für die Sympathien einfallen lassen müssen, die die rot-grüne Regierungskoalition in den RTL-Nachrichten genießt. HEIKO DILK
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