: Guido hat die FDP nicht im Griff
Jürgen Möllemann erneuert seine antisemitischen Ausfälle gegen Michel Friedman, und die FDP in NRW ist solidarisch. Müntefering: Westerwelles Demontage hat begonnen
BERLIN taz ■ Nichts benötigt FDP-Chef Guido Westerwelle in den nächsten Tagen mehr als ein paar freundliche Bilder aus Israel. Bilder, die ihn im vertrauten Gespräch mit dem Premierminister Ariel Scharon zeigen. Bilder, mit denen er die Antisemitismusvorwürfe gegen seine Partei entkräften will. Aber nur wenige Tage vor seinem am 27. Mai geplanten Besuch in der Krisenregion liefert der Kanzlerkandidat das Bild eines Mannes, der seine Partei nicht im Griff hat.
Trotz Westerwelles zaghaften Machtworts vom Pfingstwochenende, als er nach Wochen des Zögerns meinte, ein Mann wie der ehemalige Grünen-Politiker Jamal Karsli habe keinen Platz in der FDP, eskaliert der Streit um den stellvertretenden Parteichef Jürgen Möllemann. Gestern stellten sich die Führungsmitglieder der FDP Nordrhein-Westfalen erneut hinter ihren Landeschef. „Wir brauchen Möllemann im Wahlkampf und wir brauchen seine engagierten Äußerungen im Wahlkampf zum Nahostkonflikt“, sagte die stellvertretende Landesparteichefin Ulrike Flach. Ein weiteres Führungsmitglied, das anonym bleiben wollte, meinte: „Es gibt bei uns niemanden, der Möllemann ablösen möchte.“
Inzwischen mehrt sich aber die innerparteiliche Kritik an den antisemitischen Ausfällen Möllemanns, der dem Vizevorsitzenden des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, vergangene Woche vorgeworfen hatte, er sei mit seiner „intoleranten, gehässigen“ Art mitverantwortich für den Antisemitismus in Deutschland. Bereits am Wochenende forderte der frühere FDP-Spitzenpolitiker Gerhart Baum den Rücktritt Möllemanns von seinen Ämtern. Gestern warf Fraktionschef Wolfgang Gerhardt Möllemann vor, mit seinem Verhalten der FDP geschadet zu haben. Der niedersächsische Parteichef Walter Hirche warnte: „Bei aller innerparteilichen Liberalität dürfen wir nicht bestimmte, antiisraelische Positionen so pflegen, dass der Eindruck aufkommt, hier entsteht in Deutschland so etwas wie eine Haider-FDP.“
Möllemann bekräftigte gestern in einem Stern-Interview seine Kritik an Friedman. Wer wie dieser „als angeblicher Sachverwalter des Zentralrats der Juden Kritiker der Politik Israels niedermacht, wer wie er mit Gehässigkeiten um sich wirft, mit unverschämten Unterstellungen arbeitet – Antisemitismus und so weiter –, der schürt Unmut gegen die Zielgruppe, die er zu vertreten vorgibt“, so Möllemann.
Friedman fordert inzwischen indirekt den Rücktritt Möllemanns und übt massive Kritik an Westerwelle. „Wo ist die FDP-Führung eigentlich hingekommen, dass sie einem stellvertretenden Vorsitzenden, der solches Gedankengut verbreitet, nicht öffentlich widerspricht oder sich gar von ihm trennt“, bemängelte er gegenüber dem Stern. Möllemanns Bemerkungen bewegten sich auf dem Niveau der „Republikaner“ und der NPD.
SPD-Generalsekretär Franz Müntefering (SPD) meinte gestern, FDP-Chef Westerwelle sei in seiner Partei nur noch Reagierender: „Möllemann weist die Richtung, Westerwelle hält vergeblich dagegen. Er rudert nur mit halber Kraft. Seine Demontage hat begonnen.“ Möllemann selbst zog es gestern trotz anders lautender Ankündigung vor, sich zum Fall Karsli nicht zu äußern.
EBERHARD SEIDEL
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