: Streit geht weiter
Antisemitismus-Vorwürfe sind „ehrverletzend und unberechtigt“ – beschließt das FDP-Präsidium
BERLIN taz ■ Otto Graf Lambsdorff, FDP-Ehrenvorsitzender und Möllemann-Kritiker, war sichtlich genervt. „Das Ergebnis ist für alle tragbar“ – mehr wollte er gestern nicht sagen zum einstimmigen Beschluss des FDP-Präsidiums, der erst nach einer kontroversen Debatte zustande kam.
Möllemann darf sich als Sieger fühlen, hat sich die liberale Führungsriege doch letztlich hinter ihn gestellt. Im Beschluss heißt es: „Der Vorwurf des Antisemitismus gegen Führungsmitglieder der FDP ist ehrverletzend und unberechtigt. Dieser Vorwurf muss aus der Welt.“ Möllemann wurde präziser: Er erwarte, dass sich Michel Friedman bei ihm entschuldige. Der Vize des Zentralrats der Juden hatte Möllemann als Antisemiten bezeichnet. Dieser wiederum hatte gesagt, Friedmann schüre Antisemitismus – wegen seiner „intoleranten, gehässigen Art“.
Möllemann wiederholte gestern seinen Vorwurf etwas verklausulierter: Friedman wecke mit seiner „unduldsamen, arroganten, Menschen niedermachenden Art Ressentiments“. Im einstimmigen Beschluss des FDP-Präsidiums, dem Möllemann angehört, heißt es dagegen: „Bei aller Kritik an Herrn Scharon und auch Herrn Friedman – beide sind nicht und können auch nicht für den Antisemitismus verantwortlich gemacht werden.“
Solche Klärungen waren nötig, weil FPD-Chef Guido Westerwelle am Sonntag nach Israel reist – wo er seinen Gesprächspartnern „die Haltung der FDP“ nahe bringen möchte. Dieses Angebot erging gestern auch an den Zentralrat der Juden: Die FDP bat zum Gespräch, um „Missverständnisse“ auszuräumen. Zentralratspräsident Paul Spiegel lehnte sogleich dankend ab und machte eine Entschuldigung Möllemanns zur Bedingung eines solchen Treffens.
Westerwelle fand es notwendig, endlich die Debatte anzustoßen: „Was darf ein deutscher Politiker zu Israel sagen?“ Er fühlt sich von der „breiten Mitte der Gesellschaft“ richtig verstanden, von dort käme eine „riesige Rückendeckung“. Neue Umfragen scheinen den FDP-Chef zu widerlegen. In der Emnid-Sonntagsfrage sind die Freidemokraten im Vergleich zur letzten Woche von zwölf auf zehn Prozent in der Wählergunst abgerutscht.
Kanzler Gerhard Schröder sprach der FDP inzwischen die Koalitionstauglichkeit ab. Die Partei sei „vielleicht willig zu regieren, aber nicht fähig“. Der grüne Parteichef Fritz Kuhn forderte den Rücktritt von Möllemann.
ULRIKE HERRMANN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen