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Imagevernichter im Biohuhn

Nitrofen-verunreingte Bioprodukte beunruhigen Händler und Verbände. Die Branche fürchtet um ihr sauberes Image. Die Kunden zeigten sich gestern jedoch noch sehr gelassen. Gesundheitsverwaltung: Für eine Warnung noch zu früh

„Unser Ökogeflügel stammt ausschließlich aus Frankreich“, sagt Barbara Schmidt. Die Angestellte der „Geflügel Oase“ in der Kreuzberger Marheinekehalle in Kreuzberg klingt erleichtert. Seit bekannt wurde, dass mit Nitrofen verseuchtes Getreide an Geflügel in Ökobetrieben verfüttert wurde, herrscht Unruhe in der Branche. Der höhere Preis für Ökofleisch wird schließlich von vielen vor allem gezahlt, um sicher vor gesundheitsschädlichen Stoffen zu sein. Der Krebs erregende Unkrautvernichter Nitrofen, von dem noch niemand weiß, woher er kommt und inwieweit er im Handel ist, macht sich da alles andere als gut. Die Branche fürchtet um das Vertrauen der Kundschaft.

Bisher scheint die Angst in Berlin unbegründet. „Was weiß ich denn, was bei herkömmlich produziertem Fleisch alles gepanscht wird – da habe ich trotz der Nitrofen-Sache doch bedeutend mehr Vertrauen in den Ökohandel“, meint etwa der 20-jährige Markus Gericke. Er hat gerade bei einem Ökometzger am Südstern Leberkäse, Mortadella und Knoblauchwurst gekauft. Dass keine Geflügelprodukte darunter sind, sei Zufall.

Ähnlich relaxt geht es ein paar Häuser weiter, im „Laabsaal“, zu. Noch hat sich bei Hans Witte niemand nach der Herkunft seiner Ware erkundigt. Die stammt zwar nicht vom Nitrofen-betroffenen Verband „Naturland“, wie Witte betont – doch betroffen fühlt auch er sich. „Auch alle anderen Verbände werden durch den Imageschaden sicherlich leiden.“ In den zwölf Jahren, die er seinen Laden betreibt, hat Witte „so einen Skandal noch nicht erlebt“. Doch von Sinnkrise keine Spur: „Ich denke weiter, dass unsere Qualität besser ist.“ Schonungslose Aufklärung sei jetzt notwendig, „das würde für unsere Branche sprechen“.

„Das ist der größte anzunehmende Unfall in der Biobranche“, meint Michael Wimmer. Im Büro des Geschäftsführers der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg e. V. klingelt das Telefon am laufenden Band, einziges Thema: Nitrofen. „Unser Interesse ist, das Kontrollsystem im Biolandbau zu überpüfen“, betont Wimmer. Um verunsicherten Verbrauchern Ängste zu nehmen, solle man „die Opferbetriebe nennen“. Bisher sei dies aus Datenschutzgründen nicht möglich.

Für Warnungen an die Verbraucher sei es es momentan noch zu früh, heißt es aus der Senatsverwaltung für Gesundheit und Verbraucherschutz. „Erst mal müssen Erzeuger- und Lieferketten zurückverfolgt werden“, heißt es. Bis alle Unklarheiten beseitigt sind, halte man sich zurück. „Aber wir haben verstärkt Lebensmittelstichproben angeordnet.“ HEI/TOF

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