: Friedman ruft Rau
Vize des Zentralrats der Juden hofft auf „klärendes Wort“ des Bundespräsidenten. Möllemann will nicht vor Friedman „kriechen“
BERLIN taz/dpa ■ Die halbherzige „Berliner Erklärung“ der FDP-Spitze zu den Äußerungen ihres Vizevorsitzenden Jürgen W. Möllemann hat den Vorwurf, er schüre gezielt antisemitische Ressentiments, nicht aus der Welt schaffen können.
Das „Bedauern“ über Möllemanns Äußerungen, das in der Erklärung zum Ausdruck gebracht worden war, reicht weder dem Zentralrat der Juden in Deutschland noch seinem direkt adressierten Vizevorsitzenden Michel Friedman aus: Sie fordern nach wie vor eine Entschuldigung, während Möllemann meint, eine solche keinesfalls nötig zu haben: „Vor Herrn Friedman werde ich nicht kriechen“, sagte er dem Focus. Friedman wandte sich gestern Hilfe suchend an den Bundespräsidenten: Es sei an der Zeit für ein „klärendes Wort“ von Johannes Rau, so Friedman. Das Staatsoberhaupt solle „einen Orientierungsrahmen anbieten für das, was in unserer Gesellschaft zum Grundkonsens gehört, was uns kulturell und historisch zusammenhält, und was außerhalb dieses Grundkonsenses steht“, nämlich Möllemanns Äußerungen wie etwa die, dass Friedman selbst zum Anwachsen des Antisemitismus beitrage.
Auf die FDP-Spitze hatte Möllemann einigen Druck ausgeübt. Laut dem Nachrichtenmagazin Focus drohte er sogar mit seinem Rücktritt: Sollte man ihn zu einer Entschuldigung zwingen, soll er auf der Präsidiumssitzung gesagt haben, dann werde er den Saal als „freier Demokrat verlassen, dann aber mit kleinem f“. Die offizielle FDP in Gestalt ihres Vorsitzenden Guido Westerwelle sah ihn mit der Berliner Erklärung dann auch folgsam entlastet: nun erwarte vielmehr die FDP „von anderen“ die Kraft, ihre Antisemitismusvorwürfe zurückzunehmen.
Doch in der Partei brodelt es weiter: Wie der Zentralrat der Juden fordert auch Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher, dass die FDP-Landtagsfraktion die Zusammenarbeit mit dem Abgeordneten Jamal Karsli beendet. Karsli hatte der israelischen Armee „Nazimethoden“ vorgeworfen und von einer „zionistischen Lobby“ in Deutschland gesprochen. Hildegard Hamm-Brücher forderte Möllemann zu dem von ihm angedrohten Rücktritt sogar ausdrücklich auf. Die „Berliner Erklärung“ des FDP-Bundesvorstands nannte Hamm-Brücher schlicht „heiße Luft“. Die Landesverbände dagegen bleiben am Wochenende in der Deckung. Lediglich der Berliner Abgeordnete Wolfgang Jungnickel forderte den Rücktritt Westerwelles und Möllemanns. OES
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