Der Senator entscheidet grundlos

„Aus fachlicher Sicht nicht nachvollziehbar“: Beamte haben für Schulsenator Rudolf Langes Sparentscheidungen an Gesamtschulen keine Argumente. Denn es gibt keine. Lange schweigt und kann seine Entscheidungen nicht begründen

von SANDRA WILSDORF

In der Bildungsbehörde brodelt es, denn den Beamten fehlen Argumente, politische Entscheidungen fachlich zu begründen. Und so findet Gert Rauschning, Leiter der Unterabteilung Gesamtschulen, in einem Brief an die Schulleitungen der Grund- und Gesamtschulen (liegt der taz vor) klare Worte: „Ein Gespräch der Behördenleitung mit mir und/oder der Gesamtschulabteilung vor oder zur Entscheidung des Senators zur Sparquote von 10,3 Prozent für die Sekundarstufe I der Gesamtschule hat es bisher nicht gegeben.“

Das Verdikt, an den Gesamtschulen überproportional zu sparen, sei eine politische Entscheidung, „die aus fachlicher Sicht nicht nachvollziehbar ist“. Sie treffe die Gesamtschulen in ihrer Funktions- und Leistungsfähigkeit schwer, „sie werden die bisher erreichten Ergebnisse (siehe auch LAU 9) nicht halten können“, bedauert Rauschning.

Nach den geplanten Kürzungen von 145 Stellen werden die Eingangsklassen der Gesamtschulen schlechter als die Beobachtungsstufen und die Hauptschulen ausgestattet sein. Die erforderliche Neuorganisation sei „kurzfristig als pädagogischer und organisatorischer Kraftakt nicht zu bewältigen“, sie mache einen, so wörtlich, „Maßnahmen-(Gift)Cocktail“ erforderlich. Mit folgenden Zutaten: Streichung noch vorhandener Fördermaßnahmen und der Lehrer-Tutorenstunden (von denen hatte Rot-Grün bereits 75 Prozent gestrichen). Auch müssten die Schüler später nach ihren Leistungen differenziert werden, etwa in Englisch und Mathe erst in der 7. statt jetzt 6. Klasse und im Fach Politik überhaupt nicht mehr. Die Folge: Schüler würden länger in großen Klassen statt in kleinen Gruppen lernen. Für Bernhard Nette, Personalrat Gesamtschulen, wären die Maßnahmen „das Ende der Gesamtschule“.

Doch auch PISA sorgt weiter für schulpolitischen Sprengstoff: Nach Informationen der NDR Hamburg-Welle hat Andreas Schleicher, PISA-Koordinatorder der OECD in Paris, die Verantwortung für den Stopp in Hamburg abgelehnt. Der Antrag auf Nacherhebung sei unvollständig gewesen und erst Mitte Mai eingegangen. Dass die Instrumentarien der OECD nicht ohne deren Zustimmung verwendet werden dürfen, sei seit 1997 klar gewesen, weshalb Schleicher nicht versteht, dass das für die Hamburger Bildungsbehörde überraschend gewesen sein solle.

Die grüne Schulpolitikerin Christa Goetsch will nun durch eine Anfrage die Gründe für das Scheitern der Studie erfahren.