: Vergiftetes Klima
Dachauer Ortsvorsitzende tritt nach dem CSU-Wahlbetrug bei der Kommunalwahl zurück. Goppel schweigt dazu
MÜNCHEN taz ■ Die CSU-Spitze macht im größten Wahlbetrugsskandal ihrer Partei eine schlechte Figur. Zwei Dachauer Stadträte sitzen bereits in Untersuchungshaft, und trotzdem schweigen die Parteizentrale und Innenminister Günther Beckstein immer noch. CSU-Generalsekretär Thomas Goppel will seit Tagen mit der Presse über dieses Thema nicht sprechen und schiebt es auf den Ortsverband in der oberbayrischen Stadt ab.
Die bayerische SPD schlachtet das genüsslich aus. Bereits vor drei Wochen schimpfte Susann Biedefeld, Generalsekretärin der Bayern-SPD: „Die CSU will aus purer Machtversessenheit wieder einmal aussitzen und es so machen wie die berühmten drei Affen – nichts sehen, nichts hören und nichts sagen.“ „Die Wahlfälscher werden von den CSU-Verantwortlichen gedeckt.“ Dass eine Volkspartei wie die CSU massive Wahlfälschung betreibe, stelle eine neue Dimension dar, meinte Franz Maget, Oppositionsführer im Landtag, und verlangte von CSU-Chef Edmund Stoiber, gegen die Dachauer Parteifreunde vorzugehen.
Völlig aufgebracht trat gestern immerhin die Vorsitzende der Dachauer CSU, Gertrud Schmidt-Podolsky zurück. „Ich habe mir persönlich nichts vorzuwerfen, übernehme aber die persönliche Verantwortung“, sagte die Stadträtin der taz. Sie hat mittlerweile begriffen: „Das Klima in der Stadt ist so vergiftet, dass gar nichts anderes mehr als eine Nachwahl möglich ist.“
Damit gab die CSU in der 40.000-Einwohner-Stadt ihren dreimonatigen Widerstand gegen eine Wiederholung der Wahl auf. Auch im Landtag hatte die Regierungspartei es abgelehnt, dass die Kommunalwahl in Dachau für ungültig erklärt wird. Laut Staatsanwaltschaft wurden bei der Stadtrats- und Kreistagswahl Anfang März offenbar 740 Stimmzettel zugunsten der CSU manipuliert, 3.500 Briefwahlformulare vernichtet.
Der festgenommene 66-jährige Stadtrat Wolfgang Aechtner soll nach Zeugenaussagen bei 800 Hausbesuchen Wahlbenachrichtigungen eingesammelt und so der CSU Stimmen beschert haben. Tatsächlich gewannen die Christsozialen zwei Stadträte hinzu. Wegen Fluchtgefahr holte die Polizei am Freitag auch den 36-jährigen CSU-Stadtrat Georgios Trifinopoulos ab.
Kurz danach handelten auch Landratsamt und Regierung von Oberbayern. Beide Aufsichtsbehörden leiteten die Wiederholung der Stadtrats- und Kreistagswahl ein. „Wir halten so viele Wahlverstöße für erwiesen, dass wir an einer Ungültigkeitserklärung der Stadtratswahl nicht vorbeikommen“, so der Sprecher des Dachauer Landratsamts.
Das paradoxe an der Nachwahl des Stadtrats: Auch die inhaftierten CSUler Aechntner und Trifinopoulos sollen erneut auf den Stimmzetteln stehen. So sieht es das Gesetz vor. Aechtner gab allerdings bereits mit einem ärztlichen Attest sein Mandat zurück und bot der CSU an, die Partei zu verlassen. Seither ruht seine Mitgliedschaft. OLIVER HINZ
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