piwik no script img

Bücher ohne Obdach

Bis 2005 muss die Bibliothek der Humboldt-Universität umziehen. Doch der geplante Neubau ist fraglich. Die Uni will zur Finanzierung Grundstücke verkaufen. Der Finanzverwaltung passt das nicht

von JAN ROSENKRANZ

Wenn alles schief geht, dann gibt es bald eine Gemeinsamkeit zwischen der Berlinischen Galerie und der zentralen Universitätsbibliothek (UB) der Humboldt-Universität. Dann nämlich, wenn man von beiden sagen muss: Sie haben kein Dach über dem Kopf. Hier Kunst nur im Depot, dort Bücher nur im Magazin.

Bis spätestens Mitte 2005 muss die UB ihre Räume am Hintereingang der Staatsbibliothek Unter den Linden geräumt haben. Die Stabi baut nämlich um, da ist die UB nur im Wege. Und weil das alles längst kein Geheimnis mehr ist, hatte die Humboldt-Universität vorgesorgt. Ein Neubau hinter den S-Bahn-Bögen in der Geschwister-Scholl-Straße ist fertig geplant – doch nun offenbar in Gefahr. „Wenn wir den Neubau nicht bekommen, müssen wir die Bibliothek schließen“, beklagt Bibliothekschef Milan Bulaty.

Zwar habe sogar der Wissenschaftsrat dem Projekt höchste Priorität eingeräumt und damit den Bundesanteil zur Finanzierung (36 Millionen Euro) gesichert. Doch nun gibt es Probleme mit dem Landesanteil in Höhe von 39 Millionen Euro.

Die Humboldt-Universität will den Landesanteil durch den Erlös aus Verkäufen der Gebäude für Physik und Psychologie erbringen. Beide Fakultäten ziehen an den neuen Standort in Adlershof. „Die Verkaufserlöse können für diesen speziellen Zweck nicht verwendet werden“, wendet Claus Guggenberger, Sprecher der Senatsverwaltung für Finanzen, ein. Weil das Land der Uni die neuen Standorte überlassen habe, stünden ihm auch 50 Prozent der Erlöse aus dem Verkauf der alten Standorte zu. Paragraf 4, Absatz 6 des Hochschulvertrages würde ein anderes Vorgehen als „zusätzliche Leistung des Landes“ ausdrücklich nicht erlauben, so Guggenberger.

Die Universität macht jedoch geltend, dass es bereits mit vorherigen Senatoren die Absprache gegeben habe, dass sie in diesem konkreten Fall die Verkaufserlöse ausnahmsweise doch komplett behalten dürfe zur Finanzierung des Bibliotheksneubaus. Zu dumm, dass es darüber offensichtlich keinen Senatsbeschluss gibt – mündliche Zusagen galten in Berlin noch nie besonders viel.

Die Senatsverwaltung für Wissenschaft will jetzt den „ehrlichen Makler“ spielen und im Zwist zwischen der Uni und der Senatsverwaltung für Finanzen vermitteln. „Es ist klar, dass das Land Berlin nicht auf gesicherte Einnahmen verzichten kann“, sagt der Sprecher der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Thorsten Wöhlert. Er habe jedoch auch Verständnis dafür, dass die Universität diesen Neubau dringend braucht. Darüber gebe es ohnehin keinen Dissens. Fraglich bleibt nur weiterhin, woher das Geld dafür kommen soll.

Um die Verwirrung zu komplettieren: Selbst wenn der Neubau pünktlich beginnen könnte, wäre er frühestens 2007 fertig. Die UB braucht also für etwa zwei Jahre eine Zwischenlösung. Bibliothekschef Bulaty hat bislang in ganz Mitte kein akzeptables Provisorium finden können und auch keine große Hoffnung, dass er gegen Zahlung einer Kompensation doch noch länger in der Stabi verweilen darf.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen