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BEIM FUSSBALL ENTSTEHEN UND VERFALLEN FREUND/FEIND-VERHÄLTNISSEIm Dienst des Friedens

„Sind Fußballer unsere einzigen Götter?“, fragt die evangelische Kirche von den Plakatwänden das Publikum. Obwohl niemand zögern würde, diese Frage mit Nein zu beantworten, meint die Kirche, man müsse „Gemeinsam eine Antwort finden“.

Ob die Abgrenzung vom Fußball geeignet ist, der Kirche Zulauf zu verschaffen? Rivalisieren die Werte, die in der Kirche verkörpert sind, mit denen des Fußballs? Mir scheint diese Frage eher diskussionsbedürftig.

Die Feststellung, dass der Fußball Emotionen befriedigt, die herkömmlicherweise nach Kriegen schreien, ist ein alter Hut. Sie kann aber gar nicht oft genug getroffen werden. Im Fußball entstehen und verfallen die Freund/Feind-Verhältnisse, die der Mensch aus anthropologischen Gründen offenbar zu seinem Wohlbefinden braucht. Das kollektive Wir-Gefühl, das in der Menschheitsgeschichte schon so viel Unheil angerichtet hat, kann sich hier schadlos ausleben. Fußball dient dem Frieden. Wenn meine erwachsenen Söhne heulend oder jubelnd das Wohnzimmer zum Wackeln bringen, bin ich dankbar dafür, dass der Gegenstand ihrer wilden Anteilnahme so harmlos ist.

Wo sonst findet sich die Welt so diszipliniert unter gemeinsamen Regeln zusammen? Schon die Einigung auf diese Regeln ist eine Menschheitsleistung. Repräsentiert durch ihre kräftigsten jungen Männer, die unter „normalen“ Umständen die vordersten Krieger wären, kämpfen die Nationen gegeneinander – um einen Pokal. Das ist gelungene Sublimierung, das ist Hochkultur.

Die bis zum Äußersten kämpfenden Jungs führen Todesmut vor, wo es Gott sei Dank nicht ums Leben geht. Das alte Bild des kämpfenden Mannes, der durch die ganze Evolution hindurch das höchste der Geschöpfe war und heute ein gefährliches Relikt ist, kann hier ohne Bedenken genossen werden.

Deutschland gegen Kamerun – wo sonst treffen sich der weiße und der schwarze Mann so eindeutig auf dem Fuße der Gleichheit, wo sonst sind die rassischen, ökonomischen, religiösen Unterschiede so ausradiert wie hier? Millionen können am Fernsehschirm den „Menschen an sich“ betrachten, wie er im Auf und Ab des Kampfgetümmels lacht und weint.

Und die Zuschauer? Die Deutschen gerierten sich genauso fröhlich als Wilde wie die Zuschauer aller Nationen. Da hat sich ein kindliches Erscheinungsbild herausgebildet, in dem weiße Hautfarbe kein Vorteil mehr ist. Da wird in einer Weltsprache gegrölt und getrötet, dass es eine Lust ist.

Die Kirche tut, auf ihre Weise, viel für die „Rassen“begegnung. Der Fußball tut es auf seine Weise.

SIBYLLE TÖNNIES

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