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„Genug ist genug“ ist eben nicht genug

Drei Monate nach George W. Bushs erster Nahost-Rede muss er seine Vision von zwei gleichberechtigten Staaten endlich mit Leben erfüllen

WASHINGTON taz ■ Seit Tagen wartet die Welt auf den Einsatz von US-Präsident George W. Bush. Schon längst wollte er seine Pläne für einen Friedensprozess im Nahen Osten bekannt geben, gestern sollte es nun so weit sein. Doch nach dem jüngsten Selbstmordanschlag in Jerusalem wurde das Vorhaben vorerst storniert. Bush befindet sich im schwierigsten Abwägungsprozess seiner Präsidentschaft. Die Frage lautet: Welche konkreten Vorschläge legt er vor, damit ein Palästinenserstaat Realität wird?

Drei Monate nach Bushs erster Nahost-Rede, die mit den Worten „genug ist genug“ eine Wende in der bis dahin zögerlichen US-Politik einleiten sollte, muss Bush die von ihm geäußerte Vision von zwei nebeneinander existierenden Staaten endlich mit Leben füllen. Seine Positionen werden die Nahostpolitik über die nächsten Jahre bestimmen, unabhängig davon, ob er für eine rasche Anerkennung eines Interimstaates votiert, für einen langsamen Prozess, der Sicherheit und ein Ende der Gewalt voraussetzt, oder eine Mischung aus beidem.

Je länger die Rede verschoben wird, desto mehr sickern aus dem Weißen Haus Informationen über ihren möglichen Inhalt durch. Demnach will Bush eine Nahostkonferenz im Spätsommer vorschlagen und detaillierte Pläne zur Bildung eines zukünftigen Staates Palästina vorlegen, einschließlich eines klar definierten Zeitrahmens. Erster Schritt wäre die Bildung eines Übergangsstaates. Das berühmte Licht am Ende des Tunnels, so hoffen Bushs Berater, soll den Palästinensern als Anreiz dienen, den Aufbau ihrer Institutionen ernst zu nehmen und die antiisraelische Gewalt einzudämmen.

Das staatliche Provisorium würde so lange bestehen, bis alle weiteren Fragen wie die endgültigen Grenzen, das Flüchtlingsproblem und der Status von Jerusalem geklärt wären, und könnte zwei so genannte Territorien A und B enthalten. Die Palästinenser hätten die vollständige zivile und polizeiliche Kontrolle über Zone A, während Israel weiterhin für die Sicherheit von Zone B verantwortlich wäre.

Die erwartete Rede folgt einer Phase intensiver Konsultationen mit arabischen Verbündeten und Israel. Gegenüber Scharon betonte Bush das Recht Israels auf Verteidigung und klagte wiederholt über Palästinenserchef Jassir Arafat, der sein Volk enttäuscht und Vertrauen verspielt habe. Der demonstrative Schulterschluss könnte ein taktisches Manöver gewesen sein. Angesichts der bevorstehenden Kongresswahlen darf Bush die jüdischen Wähler im eigenen Land nicht verprellen.

Überraschend Lob bekam der Herr im Weißen Haus vom saudischen Außenminister Saud al-Faisal, der sich beim seinem Besuch „sehr zufrieden“ über Bushs (noch unbekannte) Positionen zeigte. Anders der ägyptische Präsident Husni Mubarak. In deutlichen Worten schrieb er Bush ins Stammbuch, dass die Gewalt der Palästinenser andauern würde, solange Israel nicht seine Truppen aus den besetzten Gebieten im Westjordanland abzieht.

Die Landfrage dürfte der größte Fallstrick für Bush sein. Der saudi-arabische Friedensplan, angenommen von der Arabischen Liga, fordert Israel auf, sich hinter die Grenzen von 1967 zurückzuziehen. Eine Forderung, der Scharon „niemals“ nachkommen will. Bush muss jedoch, um den arabischen und europäischen Verbündeten seinen ernsthaften Willen zu demonstrieren, das Problem der illegalen israelischen Siedlungen auf Palästinensergebiet ansprechen, auch um den Preis einer Konfrontation mit Scharon. Sollte er das Siedlungsproblem vermeiden, könnte die Rede folgenlos bleiben.

MICHAEL STRECK

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