: Rau immer rauer
Der Bundespräsident unterschreibt das Zuwanderungsgesetz, rügt aber das Theater im Bundesrat und hat nichts gegen den Gang der Union vor das Bundesverfassungsgericht
BERLIN taz ■ Bundespräsident Johannes Rau hat das rot-grüne Zuwanderungsgesetz unterschrieben und damit ermöglicht, dass es zum 1. Januar 2003 in Kraft treten kann. Drei Monate nach der umstrittenen Abstimmung im Bundesrat dürfen sich jedoch weder Rot-Grün noch die Union als Sieger fühlen.
In einer Erklärung übte Rau deutliche Kritik an allen Parteien. Die Art und Weise, wie die Sitzung des Bundesrats am 22. März verlaufen sei, habe dem Ansehen von Staat und Politik Schaden zugefügt.
Ob das Zuwanderungsgesetz rechtmäßig zustande gekommen ist, könne nur das Verfassungsgericht endgültig entscheiden. „Beide Seiten können gewichtige Gründe für ihren Standpunkt anführen“, sagte Rau. Er selbst sei nicht zu der Überzeugung gekommen, dass „zweifelsfrei und offenkundig ein Verfassungsverstoß vorliegt“. Deshalb habe er unterschrieben.
Während Kanzler Gerhard Schröder Raus Entscheidung begrüßte, kündigte die Union an, in Karlsruhe zu klagen. CDU/CSU halten an der Ansicht fest, die Bundesratsentscheidung sei unrechtmäßig gewesen, da das Abstimmungsverhalten Brandenburgs uneinheitlich gewesen sei. Zu der Klage hat Rau die Union ausdrücklich ermuntert: „Ich hielte es sogar für wünschenswert, wenn das Bundesverfassungsgericht diese Frage klärte.“ Ein Urteil ist aber nicht vor der Bundestagswahl zu erwarten.
Mit Kritik an Rau hielten sich die führenden Unionspolitiker zurück. „Tor ist, wenn der Schiedsrichter gepfiffen hat“, sagte CDU/CSU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach der taz. „Das muss man respektieren.“ Ähnlich äußerte sich auch Kanzlerkandidat Edmund Stoiber.
Auf die Kritik Raus am Verhalten der politischen Parteien regierten die Betroffenen unterschiedlich. Namentlich hatte Rau Brandenburgs Ministerpräsident Stolpe (SPD) und dessen Stellvertreter Schönbohm (CDU) gerügt, aber auch die restlichen Beteiligten kritisiert. Innenminister Otto Schily (SPD) sagte: „Ich fühle mich nicht angesprochen.“ Grünen-Fraktionschefin Kerstin Müller erklärte: „Wir sitzen nicht im Bundesrat.“ Schönbohm nannte die Rüge „unakzeptabel“. Stolpe dagegen räumte ein: „Wir haben für die Menschen in Deutschland kein gutes Bild abgegeben.“ LUKAS WALLRAFF
brennpunkt SEITE 3dokumentation SEITE 4
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen