piwik no script img

Kollegial und dialogfähig

Der ehemalige Radio Bremen-Intendant Karl-Heinz Klostermeier ist am Dienstag in Bremen gestorben. Klaus Bernbacher, Musikchef der Ära Klostermeier und Mitglied des Rundfunkrats, über einen geschätzten, streitbaren und umstrittenen Kollegen

Sein besonderes Interesse galt der Qualität, Entwicklung und ErweiterungSeine Tragik: Er wollte die Reform, aber er vertrat sie nicht – aus Loyalität

Karl-Heinz Klostermeier starb zu früh, um die noch fällige Gerechtigkeit über seine Amtszeit als Intendant (1985-1999) zu erleben, die ihn oft genug in Gegensätze zu den herrschenden politischen Kreisen im Lande Bremen brachte. Er verteidigte den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und damit die Unabhängigkeit, Staatsferne und Selbständigkeit des Senders gegenüber jedermann mit Mut, Sarkasmus und trockenem Humor. Manche haben sich dabei schwer getan.

Es ist mir noch gut in Erinnerung, wie Klostermeier 1985 als Sozialdemokrat gegen den Willen der Bremer Staatspartei SPD zum Intendanten und Nachfolger seines Mentors Gerhard Schröder gewählt wurde. Die SPD hatte einen anderen Kandidaten aus NRW aufgestellt. Der Rundfunkrat wählte Klostermeier in einer einzigartigen Koalition von CDU, Arbeitgebern, Gewerkschaften und weiteren gesellschaftlich relevanten Kräften, die sich so nie wiederholt hat.

Seit 1977 – zunächst als Betriebsdirektor des Senders – sorgte er für technische Innovationen und Investitionen im Hörfunk (Betriebsgebäude, Studios, Sendesaal), die auch heute noch hohen Standard haben und den Sender in der gegenwärtig schwierigen Lage wettbewerbsfähig machen und als Partner für Kooperationen ausweisen. Sein besonderes Interesse galt stets der Qualität, Entwicklung und Erweiterung des Programms im Hörfunk und Fernsehen. Radio Bremen erlebte in diesen Jahren, trotz ständiger Sparzwänge, den Höhepunkt seiner 50-jährigen Geschichte als Hauptsender mit einem vielseitigen Programm (4 Hörfunkwellen), das in Nordwestdeutschland ein plurales Hörfunkangebot darstellte. In West- und Süddeutschland war eine wesentlich größere Senderdichte vorhanden.

In der ARD genoss das Kulturprogramm des Senders ein hohes Ansehen. Für einige Jahre war sogar eine bezahlbare Klassik-Welle möglich. Radio Bremen präsentierte in der Region eine Fülle öffentlicher Veranstaltungen, die Klostermeier, einer Tradition Hans Abichs folgend, meistens besuchte. Er war den Mitarbeitern ein stets kollegialer Gesprächspartner und den Programmmachern ein intellektueller Zuhörer und Wegbegleiter.

Bei den sich bald abzeichnenden Schwächen der Direktoralverfassung – neben ihm weitere drei Direktoren, so genannte 25%-Intendanten mit eigener Bereichs-Verantwortung – war Klostermeier als „Primus inter pares“ oft die letzte Instanz, um Unfug zu verhindern und verlässlichen menschlichen Rat zu geben. Viele Probleme mussten auf Grund des Systems „ausgesessen“ werden! Die sich Mitte der 90iger Jahre zeigende politisch verordnete Krise für die kleinen Sender und die radikalen Kürzungen des Finanzausgleichs sah Klostermeier im Gegensatz zur Kompromisslinie des Senats in absoluter Verteidigungsposition.

Es ist bei der inzwischen eingetretenen katastrophalen Lage durch falsche politische Entscheidungen noch nicht abzusehen, wer letztlich den richtigen Weg ging. Klostermeiers Haltung fand damals wenig Unterstützung.

Ein anderes Kapitel ist die Wiedereinführung der ARD-üblichen Intendantenverfassung. Es bestand die Erkenntnis, dass künftige Krisen mit einem schwerfälligen Kollegialorgan und gegenteiligen Interessen nicht zu bewältigen sind. (Der Verfasser hat sich als MdBB besonders für diesen Teil der Novellierung eingesetzt).

Es war die Tragik des Verstorbenen, diese Reform zwar innerlich zu wollen, aber sie aus Loyalität zu seinen direktoralen Kollegen und dem bestehenden RB-Gesetz bei den Anhörungen im Medienausschuss der Bürgerschaft nicht zu vertreten.

Trotzdem, Karl-Heinz Klostermeier hat viel für Radio Bremen getan und sich um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verdient gemacht: Ganz im Sinne von Adolf Grimme, dem ersten deutschen Generaldirektor des damaligen NWDR nach dem 2. Weltkrieg, kümmerte er sich um die Qualität des Programms, die drei Säulen Information, Kultur und Unterhaltung und die Unabhängigkeit vom Staat. Von Einschaltquoten war nicht die Rede! Im Übrigen hat das offizielle Bremen bei dem für Klostermeier bitteren Abschied versäumt, „Danke“ zu sagen.

Viele werden ihn vermissen!

Klaus Bernbacher

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen