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Raum für werdende Mütter

Sechs Hebammen eröffnen am 1. Juli das erste Geburtshaus Bremens. Schwangere Frauenkönnen sich hier „rund um die Geburt“ betreuen lassen / Zur Eröffnung sammeln die Frauen Geld – gegen die Beschneidung von Mädchen im Senegal

Die Hebammen arbeiten zwischen anonymem Kreißsaal und PrivatwohnungÜber 1500 Babys haben die Frauen schon auf die Welt geholfen

Das pastellgelbe Haus liegt an einer schmalen Kopfsteinpflasterstraße mitten in Bremen-Findorff. Und doch fühlt sich der Besucher in der Sommerstraße 20 wie im sonnigen Italien: helle große Räume, schwarzweißgefliester Boden, ockerfarbene Wände, daran antik anmutende Malerei mit Putten und lustwandelnden Nymphen. „Pompejanisch“ nennt der Bremer Maler Gerhard Möring den Stil, in dem er sein Haus gestaltet hat.

„Wir haben uns gesucht und gefunden“, sagt der Künstler über die neuen MieterInnen, die am 1.Juli in das freundliche Haus einziehen werden. Sechs Hebammen eröffnen dort das erste Geburtshaus Bremens. Müttern, die weder im anonymen Kreißsaal eines Krankenhauses, noch in der privaten Wohnung ihr Kind zur Welt bringen wollen, bietet das Geburtshaus eine Alternative. „Wir verbinden hier persönliche Atmosphäre mit moderner Ausstattung“, sagt Bettina Nolte, eine der Hebammen im Geburtshaus. Ein geschützter Raum sei wichtig, damit sich die Schwangeren geborgen fühlen könnten. „In vielen Naturvölkern gibt es spezielle Räume, in die sich die Frauen zurückziehen können, wenn sie ihr Baby bekommen“, weiß die Fachfrau.

Das helle Geburtszimmer liegt im ersten Stock. Darin steht ein großes Bett, ein Wickeltisch und eine moderne Reanimationsmaschine. Ein breiter Durchgang führt ins Bad mit großer Wanne und Duschkabine. „Wassergeburten machen wir natürlich auch“, sagt die Hebamme.

Im Erdgeschoss ist der Wartebereich eingerichtet mit Stühlen, Büchern, Teeküche und direktem Zugang zum Balkon und Blick in den Innenhof mit kleinem südländischen Garten und alten Steinbrunnen. Dahinter das Atelier und Wohnhaus des Künstlers und Hausbesitzers Gerhard Möring. „Hier können Mutter und Vater die oft langwierige Wartezeit bis zur Geburt verbringen“, meint Bettina Nolte.

Die Hebammen wollen mit dem Geburtshaus den Ärzten im Krankenhaus keine Konkurrenz machen. Risikogeburten gehörten nach wie vor ins Krankenhaus. Das Geburtshaus sei ein zusätzliches Angebot. Die angehenden Mütter lernen Hebamme und Haus schon lange vor dem eigentlichen Geburtstermin kennen. Beratung, Vorsorgeuntersuchung und Geburtsvorbereitung finden ebenfalls im Haus an der Sonnenstraße statt. „So können die Frauen Vertrauen zu ihrer Hebamme und zum Geburtshaus entwickeln“, erklärt Bettina Nolte. Anders als im Krankenhaus betreut eine Hebamme die schwangere Frau von der ersten Beratung bis hin zur Hilfe im Wochenbett nach der Geburt.

Auch ohne Arzt können sich die werdenden Mütter bei den sechs Hebammen gut versorgt fühlen: Eine Studie über die Sicherheit „außerklinischer Geburtshilfe“ belegt, dass Geburtshaus- und Hausgeburten genauso sicher sind wie Krankenhausgeburten. Auch das Geburtshaus Bremen nimmt an dieser Studie teil.

Die sechs Hebammen bringen gemeinsam mehr als 100 Jahre Berufserfahrung mit in das neue Geburtshaus. Über 1500 Babys haben die Frauen schon auf die Welt geholfen. Die Zusammenarbeit mit den umliegenden Krankenhäusern wird außerdem großgeschrieben: Bei Komplikationen begleitet die Hebamme die Schwangere in die Klinik. „Und auch wenn eine Frau einen Arzt bei der Geburt dabei haben möchte, ist das natürlich möglich“, sagt Bettina Nolte.

Ein Problem stellt momentan noch die Finanzierung durch die Krankenkassen dar. Während einige, wie die BKK Securvita, die Kosten komplett übernehmen, erstatten andere Kassen nur die Hebammenhilfe, nicht jedoch die Betriebskosten, die für Miete, Unterhalt und Versicherung anfallen. „Die Frauen sollten rechtzeitig einen Antrag auf Kostenübernahme stellen. Bei einem negativen Bescheid könnten sie dann noch vor der Geburt die Versicherung wechseln“, rät Bettina Nolte. Katja Plümäkers

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