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Ab jetzt gibt‘s nur noch Sommer

Es ist vollbracht. Das Haushaltsloch ist verabschiedet, nun geht es ins Sommerloch. Und das kann bis 2004 dauern. Schließlich war der Doppelhaushalt das einzige, was sich der rot-rote Senat und seine Abgeordneten bisher vorgenommen hatten

von UWE RADA

Noch hat Klaus Wowereit keine Sommersprossen. Wie auch. Erst verpatzte ihm der Bush-Besuch die Australienreise, und nun wird’s auch nichts mit Yokohama. Die Senatsklausur, die der Regierende offenbar in Unkenntnis der fußballerischen Terminlage für den Tag nach Verabschiedung des Doppelhaushalts angesetzt hat, ist – noch einmal – wichtiger als das Endspiel der Deutschen bei der Fußball-Weltmeisterschaft.

Pech für Wowereit: Hätte die WM nur einen Monat später stattgefunden, hätte Berlins Regierender Partymeister nicht nur die Stadien von Seoul bis Busan, sondern auch die Strände von Südkorea und Japan unsicher machen können. Schließlich war der Doppelhaushalt das wichtigste Vorhaben des Senats. Danach, das heißt ab nächster Woche, kann nichts mehr kommen – nur noch Sommer, Sonne, Sommersprossen.

Um Gottes Willen, mögen nun notorische Spaßbremsen wie PDS-Fraktionschef Harald Wolf einwenden, nun geht’s doch erst richtig los! Doch ein Blick auf die Leistungskurve von Rot-Rot zeigt: die Senatsmannschaft und ihre Cheerleader im Abgeordnetenhaus pfeifen mindestens so sehr aus den letzten Löchern wie das Team von Rudi Völler. In diesem Zustand schierster Erschöpfung kann es gar keine Politik mehr geben, sondern nur noch Wadenbiss und Wadenkrampf. Dann doch lieber gleich endlose Strände, Sonnenuntergänge und kühlen Weißwein.

Das sind natürlich Träume. Und an Träumen mangelt es dem SPD-PDS-Senat bekanntlich ebenso wie an Visionen. Und deshalb wird die politische Zukunft der Stadt nicht nach Caipirinha oder Sex on the Beach schmecken, sondern weiter nach „Schweiß“ (Finanzsenator Sarrazin) oder „Blut und Tränen“ (Harald Wolf).

Doch so sehr sich das Team Wowereit auch Mühe gibt, den Spielfluss aufrechtzuerhalten, wird man es den müden Gesichtern ansehen, wie sehr es sich ohne weiteren Gegentreffer in die Halbzeit-, respektive parlamentarische Sommerpause wünscht. Und die beginnt – uff! – ja schon nächsten Mittwoch, ganz offiziell zumindest.

Doch Hand aufs Herz. In Wirklichkeit wird man das rot-rote Personal doch schon ab Montag statt in Senats- oder Ausschusssitzungen im Spatzencafé am Liepnitzsee, beim Sonnenbrillenstudium im Lafayette oder beim Rasenmähen in Lichtenrade treffen. Nur im Freibad wird man auf das Team Wowereit vergeblich hoffen. Auch für Politikergehälter sind die Eintrittspreise der Bäderbetriebe inzwischen unerschwinglich geworden.

Doch warum aus der Not nicht gleich eine Tugend machen? Warum aus der wiedergewonnenen Freiheit keine „Confessions“? Warum keine Kampagne „Sommer in der Politik – Politik im Sommer“? Nirgendwo schließlich könnte sich ein politisches Sommerloch besser vermarkten lassen als in der Stadt der Schaustellen, langen Nächte, der Paraden und Parädchen.

Alles ist möglich: Protestierende Lehrer könnte Schulsenator Böger zur Personalversammlung an die Wannseeterrassen laden. Sozialsenatorin Knake-Werner könnte die Alphabetisierung in Neukölln mit den Vokabeln „Hitze statt Stütze“ beginnen und Gregor Gysi könnte mit den verbliebenen Spreequellflaschen die unbebauten Filetgrundstücke in passable innerstädtische Seen verwandeln. Vielleicht würde Berlin dann sogar der IBA-Fürst-Pückler-Land Konkurrenz machen. Nicht als ausgestellter Bergbau-, sondern als realer Sparhaushaltfolgelandschaft.

Was aber, wenn der Wähler, dieser unberechenbare Kollektivschiedsrichter, zur nächsten Halbzeit ruft? Was, wenn die Sommerpause zu Ende geht und bereits am 22. September der nächste Gegentreffer droht?

Ach was, würden wir als hoch dotierte Unternehmensberater dem Wowereit-Team dann raten: Nur nicht aus der Ruhe bringen lassen. Sollen die Gegner doch schreien, dass eine Schwalbe noch lange keinen Sommer und ein bisschen Sparen noch lange keine Politik macht. Dann kommt der Konter eben stehenden Fußes. Ist die Verlängerung der Sommerpause nicht genau die Vision für den Standort Berlin, die die gegnerische Bank immer eingefordert hat, eine Art Sunbelt inmitten der norddeutschen Tiefebene?

Solange sich der Gegner bei seinen zaghaften Angriffsbemühungen immer wieder selbst ein Bein stellt, kann es die Equipe rouge-rouge sogar noch in der zweiten Halbzeit ruhig angehen lassen. Schließlich heißt es Luft holen vor der nächsten entscheidenden Spielphase: und die beginnt erst 2004 – mit der Aufstellung des nächsten Sparhaushalts.

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