: Mitte wird noch gemütlicher
Ab dem 1. August ist Schluss mit dem Individualverkehr am Hackeschen Markt. Nachdem schon Parkgebühren den Verkehr beruhigen sollen, ist nun die Rosenthaler Straße dicht – für 2 Monate
von MAXIM GROUCHEVOI
Ein alter VW-Bus mit kleiner Beule an der Fahrertür steht quer auf der Rosenthaler Straße. Der Fahrer ist nervös, wischt sich den Schweiß von der Stirn und kurbelt am Lenkrad. Er versucht den Bus in die kleine Parklücke zu quetschen. Hinter ihm staut sich alles. Ein Reisebus aus Holland steht da. Gleich danach wartet die Tram, 50 Meter von der Haltestelle entfernt. Die Reisenden diskutieren heftig mit dem Fahrer. Sie wollen raus. Das Verkehr liegt lahm. Nur die Passanten, die sich bisher auf den engen Gehsteigen drängeln mussten, machen sich mit Freude auf dem Fahrweg breit.
Die Szene, die sich bisher durch Zufall, aber dafür fast stündlich am Hackeschen Markt abspielt, soll in Zukunft Regel sein. Das Bezirkamt Mitte will den Durchgangsverkehr vom beliebten Touristentreffpunkt Hackescher Markt fern halten. Der direkt südliche Teil der Rosenthaler Straße soll dazu auf etwa 150 Meter Länge verkehrsberuhigt werden, kündigte Bauamtsleiterin Dorothee Dubrau gestern an.
Das Chaos rund um den Hackeschen Markt gehört längst zum Alltag. Zumindest seitdem Gegend bei Einheimischen und Touristen gleichermaßen als die Partyzone schlechthin angesehen ist. Der Platz vor dem S-Bahnhof „Hackescher Markt“ ist voll gestellt mit Stühlen und Tischen. Fünf große Cafés bedienen dicht beieinander tausende von Gästen. Ebenfalls in der Rosenthaler Straße haben Kneipenbesitzer Außenplätze beantragt. Und das auf nicht einmal 1,5 Meter breitem Bürgersteig. „Hier tobt der härteste Verdrängungskampf der Stadt“, schreibt die Zitty in ihrer aktuellen Ausgabe.
„Es sind viel zu viele Autos. Wir müssen versuchen die Spandauer Vorstadt vom Personenverkehr zu entlasten“, sagte Dubrau. Zurzeit strömten durch die Rosenthaler Straße täglich etwa 14.000 Autos. Die meisten wollten einfach durch, weil es angeblich so schneller ist, sich in Berlin zu bewegen, oder zumindest die Strecke ist dann kürzer. Dabei teilen die Trams, der Liefertransport, die Reisebusse, die Pkws, die Radfahrer und die Fußgänger die enge Straße untereinander.
Die Sperrung des Hackeschen Marktes ist schon die zweite Maßnahme zur Verkehrsberuhigung in diesem Jahr. Seit Anfang Januar muss, wer hier parken will, bis Mitternacht saftige Gebühren zahlen. Der Bezirk Mitte ist damit auf die vielen Beschwerden von Anwohnern eingegangen, die nicht mehr ertragen wollten, in den Abendstunden gemeinsam mit Bar- und Restaurantgängern auf Parkplatzsuche um die Blöcke zu fahren.
Man möchte aber nicht zu überstürzt handeln. Nur für zwei Monate soll der südliche Bereich der Rosenthaler Straße zwischen An der Spandauer Brücke und Neuer Schönhauser Straße beruhigt werden. Für Anlieger und Anlieferer, sowie für Taxis und die Straßenbahn werde die Durchfahrt aber weiterhin offen sein, kündigte Dubrau an. Sie hofft, dass die Autofahrer nun die Tor- und Karl-Liebknecht-Straße zum Umfahren benutzen und noch mehr Kneipenbesucher die öffentlichen Verkehrsmittel nehmen.
Wenn das Pilotprojekt reibungslos verläuft, sind weitere Maßnahmen zur Entlastung der Spandauer Vorstadt in Planung. Frau Dubrau ist optimistisch: „Schließlich wollen wir alle das eine. Dass unsere Mitte wieder gemütlich ist.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen