: Barocke Schlosstendenzen im Bundestag
Kurz vor der Abstimmung über den Wiederaufbau des Stadtschlosses zeichnete sich eine Mehrheit für die Rekonstruktion der klassischen Fassade ab. Nutzung bleibt offen. Baubeginn frühestens in drei Jahren
Kurz vor dem Beginn der Bundestagsdebatte über die Zukunft des Berliner Schlossplatzes haben sich alle nochmals in Zeug geworfen, allen voran Bundeskanzler Schröder. Der plädierte einmal mehr für den Wiederaufbau der barocken Schlossfassade. Die Vorsitzende des Bundestagskulturausschusses Monika Griefahn (SPD) dagegen trat erneut für einen Architekturwettbewerb ein, bei dem auch eine zeitgemäße Lösung eine Chance bekommen sollte.
Da die Debatte mit Verzögerung begann, wurde erst für gestern Abend mit einem Ergebnis gerechnet. Trotzdem zeichnete sich bei Redaktionsschluss ein knappes Votum für die Barockfassade des 1950 gesprengten Preußenschlosses ab.
Zwar gebe es in der SPD nicht nur Schlossbefürworter, sondern auch Anhänger einer modernen Lösung sowie gar keiner Bebauung, sagte Griefahn. Weil aber die CDU und die FDP geschlossen für einen Wiederaufbau seien, würde sie vermuten, dass sich die barocke Fassade durchsetzt.
Doch nicht nur der Streit um die Fassade einer Neubebauung des Schlossplatzes erregte gestern die Gemüter, sondern auch die Forderung nach einer Einbeziehung von Teilen des Palastes der Republik in einen Neubau. Während Griefahn eine solche prinzipiell für möglich hält, lehnt Berlins CDU-Landesvorsitzender Christoph Stölzl dies kategorisch ab. Das gelte selbst für den Volkskammersaal, in der die DDR-Volkskammer über den Beitritt zur Bundesrepublik abstimmte. Der Palast der Republik auf dem Schlossplatz, sagte Stölzl zur Begründung, sei „immer ein Gräuel“ gewesen.
Eine Entscheidung des Bundestags für eine barocke Fassade an der Nord-, West- und Südseite eines Neubaus ist unterdessen aber noch nicht der endgültige Startschuss für die Schlossrekonstruktion. Nach dem Beschluss muss sich zunächst eine Arbeitsgruppe konstituieren, die von Juli an unter Federführung von Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin die Empfehlungen der Expertenkommission auf ihre Machbarkeit abklopft.
Dazu gehören die Prüfung des Nutzungskonzepts und der vorgeschlagenen Finanzierung auf der Grundlage eines Aktienmodells für das Engagement privater Anleger. Danach ist ein Architekturwettbewerb geplant. Mit einem Investor muss sich die öffentliche Hand schließlich auch noch einigen.
Mit dem Bau kann nach Einschätzung des Vorsitzenden der Internationalen Expertenkommission, Hannes Swoboda, frühestens in drei Jahren begonnen werden. UWE RADA
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen