piwik no script img

Gut für Bauern, gut für Umwelt

Landwirte fordern bei der Neuregelung der EU-Agrarhaushalts Flächen- statt Produktionsprämien. Vertragsnaturschutz im Altmühltal als Modell der Zukunft

ANSBACH taz ■ Den grünen Filzhut mit der breiten Krempe ins Gesicht gezogen, die Hände auf den mannshohen Schäferstab gestützt, steht Erich Neulinger am Rande seiner Herde. Die Tiere halten Siesta, malmen dann und wann ein paar Gräser und stecken ansonsten die Köpfe in den Schatten der Nachbarin. Erich Neulinger (36) ist einer der letzten Schäfer im Altmühltal. Zwischen Mai und Oktober verbringt er jede seiner Mittagszeiten auf den Wiesen zwischen Acker und Wald. Er hat dann viel Zeit, um über die verfallenden Fleischpreise nachzudenken, sich über die Gülle auf den Wiesen der Großbauern zu ärgern und wieder und wieder durchzurechnen, ob er nicht doch die dringend nötige Hilfskraft einstellen kann. Gerade mal 30.000 Euro hat Neulinger im vergangenen Jahr als Gewinn ausweisen können.

Aber immerhin. Dass es überhaupt so viel war, verdankt er der Direktvermarktung seiner Lämmer im Altmühltal. Die Schäfer, Metzger und Wirte verkaufen seit Ostern 1997 das „Altmühltaler Lamm“ als regionales Qualitätsprodukt. Die Schäfer bekommen 30 Euro pro Lamm mehr als für die Massenware. Dafür dürfen sie die Tiere nur mit selbst angebautem Futter und Wiesenkräutern füttern und dafür sorgen, dass die Lämmer nicht länger als eine Stunde zum Schlachter transportiert wurden. Der größte Gewinner ist jedoch die Natur. Die Schafe sorgen zu Lebzeiten dafür, dass die in Deutschland fast verschwundenen Trockenrasen überleben, auf dem bis zu 30 verschiedene Wildkräuter und etwa 10 Insektenarten gedeihen. Auf einer Güllewiese überleben hingegen nur 6 bis 7 Pflanzenarten und dementsprechend wenige Insekten, rechnet Josef Göppel, Vorsitzender des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege, vor.

Göppel ist umweltpolitischer Überzeugungstäter. In der CSU, für die er im bayerischen Landtag sitzt, ist er daher nicht eben beliebt, im heimatlichen Altmühltal sehr wohl. Um die Kulturlandschaft samt Natur und die wirtschaftliche Grundlage der Bauern zu erhalten, hat er die Direktvermarktung der Lämmer initiiert und redet auf die Bauern ein, ihre Wiesen so spät wie möglich im Sommer zu mähen. Wenn die Landwirte außerdem nicht düngen, das Heu so schonend ernten, dass die Tiere im Gras überleben, und die Wiese von der Mitte her nach außen mähen, können die Altmühltaler Bauern 500 Euro pro Hektar dazuverdienen.

Vertragsnaturschutz nennt sich das, und das System ist die Flächenprämie, die in der europäischen Agrarpolitik bislang nicht vorgesehen ist. Die EU subventioniert fast ausschließlich die Produktion, die zwangsläufig zu Lasten der Natur geht. Die deutsche Agrarpolitik hat bislang außerdem kaum die Spielräume für die Ökosubvention genutzt. Umweltschützer, Landwirtschaftsexperten, Verbraucher- und Tierschützer aus 13 Verbänden, deren politische Vorlieben von den Grünen bis zur CSU reichen, haben sich daher zusammengetan und fordern die Flächenprämie. „Wenn die käme, wäre das eine Revolution“, sagt Ulrich Jasper von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, die mit Euronatur die Ideen für eine ökologische und soziale Landwirtschaftspolitik ausgearbeitet hat. Die Prämie wollen auch Verbraucherschutzministerin Renate Künast und EU-Kommissar Fischler. Am 10. Juli wird der Kommissar seine Vorschläge für eine weiter gehende Reform der Agrarpolitik vorstellen. Ab 2004 sollen immerhin jährlich 3 Prozent der direkten Beihilfen für Flächenprämien umgeschichtet werden, heißt es. Ob Fischler überhaupt die EU-Politik reformieren kann, hängt auch von Deutschland ab. Aus Berlin stammen immerhin rund ein Viertel der knapp 46 Milliarden Euro im Agraretat. Doch bevor der nächste Reformschritt (Agenda 2007) verhandelt wird, wird in Deutschland gewählt. Und in der CSU/CDU können nicht alle Agrarpolitiker die Zusammenhänge so gut erkennen wie Josef Göppel. Deswegen kandidiert er jetzt auch für die Bundestagswahl. ULRIKE FOKKEN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen