: Entwicklung krisenbedingt offen
Das eben erschienene „Jahrbuch Fernsehen“ verschafft Ein- und Durchblicke im tiefen Tal der TV-Branche
Es ist wieder so weit: Pünktlich zur Sommerpause erscheint Deutschlands einzige ernst zu nehmende TV-Publikation, das „Jahrbuch Fernsehen“. Dass ein gewisser Leo Kirch die Ausgabe 2002 zieren würde, war einigermaßen vorhersehbar – und ist ebenso signifikant für den aktuellen Zustand der Branche. Vor Kirch schauten uns Helmut Kohl und Rupert Murdoch an. Die letzte Frau, die es auf den Jahrbuch-Titel schaffte, war 1998 eine gewisse Verona Feldbusch – glückliche Zeiten, damals.
Nun „ist die Krise los“, wie die Herausgeber, der Medienberater Lutz Hachmeister und Grimme-Instituts-Chef Bernd Gäbler im Editorial ganz unschuldig bemerken – und die hat Folgen: Notwendigerweise sind die Essays in diesem Jahr durch eine gewisse Unabgeschlossenheit gekennzeichnet. Der Kirch-Zusammenbruch, spätestens seit April aktenkundig, kollidierte wohl mit den langen Vorlaufzeiten der Buch-Produktion. Ein bisschen mehr als ein paar Absätze im Editorial hätten dem Komplex dennoch gut getan.
Ansonsten bieten die Essays die gewohnt hohe Komptenz und gute Mischung der Buchmacher zwischen TV-Kultur und Fernsehwirtschaft: Es geht um das „Fernsehen der neuen Mitte“ im Spiegel seiner Polit-Talkshows (Klaudia Brunst), Sitcoms hierzulande und in den USA (Sandra Kegel), John Malones – bislang – vergeblichen Griff nach dem Fernsehkabel (Thomas Schuler), die Bilanz des neu geschaffenen Staatsministeramtes für Medien beim Bundeskanzler (Rainer Braun), den ZDF-Intendantenstadl (Nils Minkmar) – und natürlich den 11. September 2001, der sowohl im Essay (Bettina Gaus) als auch in Dietrich Leders alljährlicher TV-Chronik verhandelt wird.
Dazu bietet das Buch – wie immer – ausgewählte TV-Kritiken zum Fernsehjahr 2001 und einen fast 400 Seiten starker Serviceteil, der den direkten Kontakt zum Fernsehen an sich und seinen Machern herstellt. STG
„Jahrbuch Fernsehen“. Im Buchhandel oder beim Adolf-Grimme-Institut Marl, Tel. (0 23 65) 9 18 90), 29 €
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