dördedördör
: Ostfrieslands Vogelliebhaber

Und ewig singt der Harzer Roller

Macht er „Twiet-twiet“ oder doch eher „Zick-zick“? Gibt es da nicht diesen labialen Stoßlaut, charakteristisch für den Wachtelkönig? Sie sollten mal das Strahlen in den Augen von ostfriesischen Vogelkundlern sehen, wenn sie vom Wachtelkönig schwärmen. Angler sind dagegen der reinste Pöbel. Während Angler die Arme auseinanderschlagen, sich die Schultern ausrenken und protzen: „Soooo groß war mein gefangener Aal“, schlagen Vogelliebhaber andächtig die Augen zu Boden, lassen den Tränen freien Lauf und flüstern: „ER war da!“

Gut, man sieht den unscheinbaren Vogel so gut wie nie. Er steht auf der ganz dunkelroten Liste der aussterbenden Arten. Deswegen ist er Mitglied in sämtlichen Naturschutzverbänden. Immer wenn es ein Bauvorhaben an der Küste zu verhindern gilt, suchen die Naturfreunde zuerst nach dem Wachtelkönig. Denn sein Vorhandensein kann einen baulichen Eingriff (zumindest kurzfristig) stoppen. Das Problem: Seine Majestät macht sich rar – aber sein Ruf will gehört werden. Vogelliebhaber erkennen ihren Favoriten an lokal ausgeprägten Dialekten.

Wie viele Brutpaare des seltenen Seeregenpfeifers gibt es in Niedersachsen? Na? Nix mit Publikumsjoker. So was wissen nur Ihvenhoe, Parsifal und die anderen Ritter des heilgen Grals vom goldenen Nest. „Vierzig Brutpaare gibt es“, sagt Manfred K. aus Esens. Und so isses wohl.

Als es vor zwei Jahren an der ostfriesischen Küste ein brütendes Seeschwalbenpärchen gab, löste die Nachricht Wallfahrten aus. Für Vogelkundler ein Drogenkick. Wenn ein Seeadler über die Dünen streicht, fallen gestandene Männer in Ohnmacht. Wie weiland Muttern beim Anblick von Paul McCartney & Co (The Beatles = Die Käfer!! Hauptnahrung des Wachelkönigs!!) Aber natürlich kreischen die Herren Vogelkundler nicht. Dann würden sie ja das „Kay – kay – kay“ des Seeadlers nicht hören.

In der Regel scheren sich die Behörden aber einen Vogeldreck um die Vorlagen ihrer meist ehrenamtlichen als Spezies Zähler eingesetzten Vogelkundler. Deren Zählungen sollen Naturschutzgebiete vorbereiten und Vogelschutzgebiete ausweisen und eben helfen, besonders gefährdete Arten gezielt zu schützen. Welch eine Ahnung hat aber ein behördlicher Sesselfurzer vom gotischen Koralgesang eines Kiebitzes: „ Twielüüt- twielüüt.“ Welche Andacht!

Klaus R. aus Emden ist nicht zu beneiden. Seit Jahren schleicht der Rentner in ganz Ostfriesland Rebhühnern hinterher. Es gibt keine mehr. Landwirtschaftliche Radikalkuren haben die Rebhühner aus ihren Unterschlüpfen am Weidenrand vertrieben. Was noch müde weiter flatterte, wurde von trophäengeilen Jägern abgeknallt. Bauern verpachten gerne ihre Weiden an die Ballermänner aus dem Ruhrgebiet, damit die auch im Urlaub nicht die Flinte ins Korn werfen müssen. Die Bauern bestreiten allerdings, am Wettbewerb „Ich hab das letzte Rebhuhn erschossen“ teilgenommen zu haben.

Klaus R. hat auf seine alten Tage noch einmal die Sonne gesehen, soll heissen, er hat Rebhühner gefunden. Wo? „Niemals. Das verrate ich nicht!“

Denn immer wenn in der freien (ostfriesischen) Wildbahn, Behörden, Jäger und andere Nahrungskonkurrenten dem „Wild Life“ den Garaus bereiten, ist Walt Disney nicht weit.

Den Abgesang der Wildvögel ersetzt die Seeräuberstadt Marienhafe mit folgendem Angebot: „Lehrgang: Der Harzer Roller – Gesangskanarienvogel. Dieser Lehrgang behandelt die orig. Belange der Gesangskanarienzucht, das Lied des Harzer Rollers, Charakterisierung der Gesangtouren. Lehrgangsleiter: Herr H. B... amt.Prr. DKB und Weltverband. 10 Unterrichtstage à 2 Stunden. Es entstehen keine Kosten.“

Thomas Schumacher