: Platzverweis wird Alltag
Polizei zieht positive Bilanz zu sechs Monaten Pilotprojekt „Platzverweis bei häuslicher Gewalt“. 275 prügelnde Männer wurden vorübergehend aus dem Verkehr gezogen
„Beide sind Alkoholiker gewesen. Es gab bereits 11 Anzeigen wegen Körperverletzung. An diesem Abend hat er sie gewürgt und ihr büschelweise das Haar ausgerissen“, erzählt Polizeikommissar Jan Klawitter. „Als wir kamen, haben wir ein verwüstetes Wohnzimmer vorgefunden. Eine Beamtin ist dann mit der alkoholabhängigen Geschädigten ins Schlafzimmer gegangen. Sie hat sich Zeit genommen, genau zuzuhören. Der Täter wurde für vier Tage aus der Wohnung verwiesen, die Geschädigte hat sich wenig später zu einer Entziehungskur entschlossen. Und während der Kur hat sie sich dann von ihrem Peiniger getrennt.“
Klawitters Geschichte ist nur eine der vielen Erfolgsgeschichten, die die Berliner Polizei auf zahlreichen Pressekonferenzen der vergangenen Monate zum Modellversuch gegen häusliche Gewalt präsentierte. Gestern trug sie den Abschlussbericht vor: 275 gewalttätige Ehemänner oder Lebenspartner hat sie im letzten halben Jahr für mehrere Tage aus ihrer Wohnung gewiesen. Insgesamt wurde die Polizei in dieser Zeit 5.074-mal wegen häuslicher Gewalt zu Hilfe gerufen.
Probeweise sechs Monate lang durften BeamtInnen seit Januar auch ohne richterlichen Beschluss in BerlinPlatzverweise aussprechen. Gewalttätige Ehemänner – oder gegebenenfalls Ehefrauen – konnten damit für bis zu 14 Tage aus der gemeinsamen Wohnung verwiesen werden. Parallel mit In-Kraft-Treten des bundesweit eingeführten Gewaltschutzgesetzes hatte man das Pilotprojekt gestartet.
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) freute sich gestern über das gelungene Projekt. Besonders froh sei er darüber, „dass es bald eine klare Rechtsgrundlage für das Wegweisen von Gewalttätigen geben wird“. „Mit dem alten Gesetz war das zwar auch möglich, aber nur wenn man es entsprechend auslegte“, erklärt eine Verantwortliche der Polizei. Voraussichtlich im Herbst wird eine entsprechende Änderung der Berliner Polizeivorschriften in Kraft treten.
Aber auch bis dahin müssen prügelnde PartnerInnen nicht in der gemeinsamen Wohnung geduldet werden. Aufgrund der guten Ergebnisse dürfen BeamtInnen weiterhin Platzverweise aussprechen.
Diplompsychologin Katja Grieger bezeichnete die Platzverweise als einen wichtigen Baustein in der gesamten Interventionskette. Sie hat das Projekt wissenschaftlich begleitet. Anfangs habe man noch Unsicherheit bei den BeamtInnen festgestellt, sagte sie. Aber durch gute Schulung, Begleitung von ExpertInnen und zunehmende Routine sei diese schnell gewichen. Auch die Zusammenarbeit mit Berliner Hilfsorganisationen hob sie lobend hervor. „Das Hausverbot der überwiegend männlichen Täter konnte so für weitere Schritte zu einem Leben ohne Gewalt genutzt werden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen