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Die Frauen von Srebrenica

Der Name Srebrenica steht für das schlimmste Massaker des Bosnienkriegs. 1993 war die ostbosnische Stadt von der UNO zu einer Schutzzone für verfolgte Muslime erklärt worden. Immer mehr Menschen strömten in diese Zone. Am 11. Juli 1995 überrannten bosnisch-serbische Truppen den Ort, in dem lediglich 150 niederländische UN-Soldaten stationiert waren. Rund 7.500 Menschen, meist Männer, wurden ermordet, rund 40.000 Menschen mussten fliehen oder wurden verschleppt. Viele wurden vorübergehend oder auf Dauer in der Nähe der Stadt Tuzla untergebracht. 1999 räumte UN-Generalsekretär Kofi Annan eine Mitschuld der internationalen Gemeinschaft an dem Fall Srebrenicas und dem Massaker ein.

Die Fotografin Cornelia Suhan, Jahrgang 1956, studierte an der Fachhochschule Dortmund Fotodesign mit dem Schwerpunkt Fotojournalismus. Seit 1983 hatte sie viele Ausstellungen, unter anderem über die mexikanische Stadt „Juchitan, Stadt der Frauen“ (1992), über „Tuzla – Der Alltag im Krieg“ (1993/94) und über „Frauen in Zeiten des Strukturwandels“ (2001). Neben der Fotoreportage ist Architekturfotografie ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit.

Senada Omerović, 35, lebte mit ihrem Mann und ihren beiden leicht behinderten Kindern (auf dem Foto ihr Sohn Suad, 9) 1995 in Srebrenica. Ihr Mann gilt seit Juli 1995 als vermisst. Sie ist eine ruhige Frau, die sich so gut es geht um die Kinder kümmert, aber doch noch Hilfe dabei braucht. Letztes Jahr besuchte sie zum ersten Mal das Dorf bei Srebrenica, wo die zerstörten Häuser ihrer Familie stehen. Sie will nicht zurück. Sie fühlt sich dort nicht sicher.

Azra Alić, 40, hat ihren Mann und ihren Sohn und zwei Brüder in Srebrenica verloren. Zwei 17-jährige Zwillingstöchter leben bei ihr, eine hat kürzlich geheiratet. Lange hat sie um die in Srebrenica Gebliebenen geweint, nur langsam gewann sie wieder Lebensmut. Vor einiger Zeit hat sie ein kleines Stück Land gekauft. Viel versprechen sie und ihre Töchter sich immer noch nicht von der Zukunft – aber sie leben, sagen sie, das ist gut, immerhin.

Fahra Hodžić, 52, ist mir ihren drei Kindern aus Srebrenica vertrieben worden. Auch sie hat ein Stück Land gekauft und mit dem Bau eines kleinen Häuschens begonnen. Ihr Bruder, der während des Kriegs in Deutschland war, hilft ihr. Sie ist stolz auf die Fortschritte beim Bau. Sie hofft, bald Tiere aufziehen und sie dann in der Nachbarschaft verkaufen zu können. Sie mag es, Hühner um sich zu haben und mit ihnen zu sprechen.

Fatima Mekanić, 45, lebt mit ihrer 20-jährigen Tochter und ihrem 16-jährigen Sohn seit sieben Jahren in Tuzla. Ihr Mann verschwand im Juli 1995, wie tausende andere, in Sarajevo. Er gilt offiziell als vermisst. Sie konnte mit den Kindern damals fliehen. Ihr Sohn hatte einen schweren Herzfehler und wurde in Deutschland operiert. Noch warten sie darauf, eine Chance zur Selbständigkeit zu bekommen, ein kleines Haus mit ein bisschen Land.

Hazreta Tabaković, 33, lebte mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern (1992 und 1995 geboren) bei den Schwiegereltern bei Srebrenica. Nach dem Fall der Stadt wurden sie und die Kinder im Bus nach Tuzla gebracht. Vom Tod des Mannes erfuhr sie später durchs Rote Kreuz. Zur Zeit leben sie und die Kinder in notdürftig hergerichteten zwei Zimmern in einem Rohbau. Zwei Schafe hat sie. Jetzt im Sommer muss sie das Haus räumen, der Eigentümer braucht es für sich.

Rahima Malkić, 39, baut gerade ihr Haus – mit der Unterstützung von GTZ und Islamic Relief. Mit ihren beiden Kindern lebt sie im notdüftig fertig gestellten Erdgeschoss. Ihr Mann gilt seit dem Fall von Srebrenica als vermisst. SeinenTod hat sie nur schwer verkraftet. Sie ist stolz – und verzweifelt. Sie arbeitet für die Zukunft ihrer Kinder, die beide aufs Gymnasium gehen. Sie halten ihren Lebenswillen aufrecht.

Die Organisation Vive Zene, eine Therapie- und Sozialstation für Frauen und Kinder, arbeitet seit 1993 in Tuzla. Sie kümmert sich dort um traumatisierte Überlebende des Bosnienkriegs und versucht, sie an den schwierigen Nachkriegsalltag zu gewöhnen. Dies braucht Zeit – und Geld. Zeit, weil die Erfolge der Therapie nur langsam kommen können, und Geld, weil ein wirtschaftliches Unterstützungsprogramm zum Aufbau eines stabilen Lebensrahmens für die Betreuten unumgänglich ist. Viva Zene betreut mit der Partnerorganisation Snaga Zene (Frauenpower) auch die auf dieser Seite vorgestellten Frauen.

Viva Zene e. V., Kto-Nr. 2 91 00 12 97, Stadtsparkasse Dortmund, BLZ 44 05 01 99

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