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Nur ein bisschen Demokratie

Pakistans Militärmachthaber Muscharraf kündigt die Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrates als Überwachungsorgan an. Demgegenüber ist der Wille des Wählers im Oktober zweitrangig

von BERNHARD IMHASLY

Drei Monate vor den Parlamentswahlen in Pakistan hat Präsident Perves Muscharraf klar gemacht, dass diese keine Rückkehr zur vollen Demokratie darstellen werden. In einer Radio- und Fernsehansprache am Freitagabend kündigte der General weitere Verfassungsänderungen an, die sicherstellen sollen, dass die Armee die Rolle des obersten Schiedsrichters auch in Zukunft beibehalten wird.

Im Mai hatte sich Muscharraf per Referendum für weitere fünf Jahre als Präsident bestätigen lassen. Nun kündigte er die Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrates unter seinem Vorsitz an, der als oberstes Überwachungsorgan sowohl die Regierung als auch die gewählten Volksvertreter, aber auch den Staatschef entlassen kann. Dem Rat gehören neben dem Premierminister, den Führern der vier Provinzen und dem Oppositionsführer die Chefs der drei Waffengattungen an. Er steht unter dem Vorsitz des Präsidenten.

Muscharraf erklärte sich zu einem Dialog mit den politischen Kräften bereit, aber bei seiner Rede machte er klar, dass es dabei nur um Modalitäten gehen könne. „Echte Demokratie hat in Pakistan noch nie funktioniert“, sagte er mit charakteristischer Direktheit. „Sonst würde ich nicht hier vor euch sitzen.“

Wie weit Muscharrafs „geordnete Demokratie“ aber mehr als ein Feigenblatt für eine Militärdiktatur sein wird, ist noch unklar. Es gibt jedenfalls zahlreiche Anzeichen dafür, dass er es nicht bei diesen Kontrollen durch einen Sicherheitsrat und einen Militärpräsidenten belassen wird.

In den vergangenen Wochen kündigte die Regierung weitere Verfassungsdekrete an, die vermuten lassen, dass Muscharraf alles daransetzen wird, bereits bei den Wahlen „ordnend“ einzugreifen. Ein Verbot von mehr als zwei Amtsperioden für Politiker disqualifiziert die beiden ehemaligen Premierminister Benazir Bhutto und Nawaz Scharif als mögliche Spitzenkandidaten der Volkspartei und der Muslim-Liga, ein generelles Amtsverbot im Fall einer Verurteilung wegen Korruption tut dasselbe.

Just am vergangenen Donnerstag wurde Bhutto in Abwesenheit zu drei Jahren Zwangsarbeit verurteilt, weitere Klagen gegen die beiden im Exil lebenden Politiker sind anhängig. Auch bei den Parlamentskandidaten möchte Muscharraf neue Gesichter sehen. Ein Dekret, wonach jeder Abgeordnete über einen Hochschulabschluss verfügen muss, hat bereits die Hälfte der bisherigen Muslim-Liga-Parlamentarier ausgeschlossen, es sei denn, es gelingt ihnen noch, in einem Schnellkurs den Grad eines „Bachelor of Arts“ zu erwerben.

Muscharraf ist auf ein willfähriges Parlament angewiesen, da er zur Wahrung der staatsrechtlichen Form seine Dekrete durch die Nationalversammlung absegnen lassen muss, damit sie Verfassungskraft erhalten. Sollte diese seine Vision von einer „geregelten Demokratie“ jedoch nicht teilen, wird die Staatskrise Pakistans auch noch nach dem Wahltag vom 10. Oktober weitergehen.

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