: Bei der Justiz ist kein Land in Sicht
Obwohl seit mehr als einem Jahr ermittelt wird, steht die strafrechtliche Aufarbeitung des Bankskandals noch am Anfang. Justizkenner bezweifeln, ob es in diesem Jahr noch zu Prozessen kommt. 57 Ermittlungsverfahren laufen
Am Anfang der Ermittlungen stand ein Schreiben des Fraktionschefs der Grünen, Wolfgang Wieland, an das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen. Eine Abschrift des Textes ging an die Staatsanwaltschaft beim Landgericht, die daraufhin in Sachen Bankgesellschaft tätig wurde. Das war im Januar 2001. Seitdem ist in der Berliner Politik viel passiert. Doch was die strafrechtliche Aufarbeitung des Bankskandals angeht, ist noch lange kein Land in Sicht.
Ermittelt wird in folgenden Komplexen: Kreditvergabe und -vermittlung an das Immobilienunternehmen Aubis, Fondsverfahren – im Vordergrund die beiden Pilotverfahren LBB Fonds 12 und JBV Deutschland und Prominentenfonds. Tätig sei man auch hinsichtlich der Überlassung von Vorstandsvillen und des Abschlusses von Abfindungsverträgen, bestätigt Oberstaatsanwalt Claus-Peter Wulff, der die aus zehn Staatsanwälten bestehende Sonderkommission leitet. Acht weitere Stellen für Spezialisten sind ausgeschrieben. Im Vordergrund der Ermittlungen steht der Vorwurf der Untreue zu Lasten des Landes Berlin.
Ingesamt sind laut Wulff noch 54 Ermittlungsverfahren offen, 14 weitere Verfahren wurden bereits eingestellt, in drei Verfahren Anklage erhoben. Letzteres betrifft die beiden Aubis-Unternehmer und früheren CDU-Politiker Klaus Wienhold und Christian Neuling, Schlüsselfiguren im Skandal um die Bankgesellschaft. 1995 hatten sie dem damaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden und Chef der Banktochter Hyp, Klaus Landowsky, eine Parteispende in Höhe von 40.000 Mark übergeben, die nicht ordnungsgemäß verbucht wurde. Zeitnah hatte Aubis Kreditzusagen in Höhe von über 700 Millionen Mark von der Berlin Hyp erhalten. Mit dem Geld sollten ostdeutsche Plattenbauten saniert werden. Den Aubis-Managern wird Betrug und versuchter Betrug vorgeworfen. Die Anklageschrift liegt der zuständigen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts seit Ende März vor. Ob es aber in diesem Jahr noch zum Prozess kommt, wird von Justizkennern bezweifelt.
Auch was die übrigen Verfahren angeht, wird der Optimismus von Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) nicht unbedingt geteilt. Noch in diesem Jahr werde Anklage gegen Verantwortliche der Bankgesellschaft erhoben, hatte sie jüngst vermutet.
Anfang Juni diesen Jahres hatte die Staatsanwaltschaft die Privaträume von 14 ehemaligen Topmanagern nach Beweismaterial durchsucht, darunter die des früheren Vorstandschefs der Bankgesellschaft, Wolfgang Rupf, des Exchefs der Berlin Hyp, Klaus Landowsky, und des ehemaligen Landesbank-Vorstandsvorsitzende Ulf Decken. Man wage keine Prognose, bevor nicht das gesamte Material ausgewertet und Befragungen durchgeführt wurden, heißt es in Ermittlungskreisen.
Auch was die zivilrechtliche Seite angeht, ist die Bankgesellschaft unter dem neuen Vorsitzenden Hans-Jörg Vetter inzwischen tätig geworden. Mutmaßliche Schadensersatzansprüche der Bankgesellschaft können nicht mehr verjähren, nachdem Landowsky im Juni eine entsprechende schriftliche Vereinbarung unterschrieben hat. Eigentlich lief die fünfjährige Frist im Juni ab. Hätte Landowsky die Unterschrift verweigert, hätte die Bank sofort geklagt. Auch zehn weitere ehemalige Bankmanager sollen eine entsprechende Erklärung unterschrieben haben. Gegenüber der Presse zeigte sich Landowsky siegesgewiss: Er sei „weder zivil- noch strafrechtlich angreifbar“.
Der grüne Fraktionschef Wieland verfolgt die Ermittlungen mit Argusaugen. Die Staatsanwaltschaft tue „nach den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln das Mögliche“, sagt Wieland, der in der rot-grünen Übergangsregierung im vergangenen Jahr Justizsenator war. Doch die Staatsanwaltschaft sei eben in einem „erbarmungswürdigen Zustand“. Die Verantwortung dafür trage der Generalstaatsanwalt beim Landgericht, Hansjürgen Karge. Zumindest was Karge angeht, ist Land in Sicht. Die rot-rote Koalition will ihn nach der Sommerpause mit den Stimmen der Grünen abwählen.
PLUTONIA PLARRE
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