: Wie werde ich Wirtschaftskasper?
von PATRIK SCHWARZ
1. Egal was passiert: Sie sind der Wirtschaftskanzler.
Zeigen Sie der Welt, was Sie können. Sagen Sie der Welt, dass Sie es können. Sie sind der Bringer. Ohne Sie geht nix. Das wird auch der dünne Edmund noch merken, dieser zitternde Stangenspargel.
2. Machen Sie Wahlkampf mit dem, was Sie am besten können.
Wirtschaftspolitik, das ist Ihr Feld. Standort stärken. Global denken, global handeln. Was dem Afghanistankrieg gut bekommen ist, kann für die Telekom nicht schlecht sein.
3. Loben Sie Ron Sommer, solange er nützt. Und ignorieren Sie den Kursverfall.
Hinterher ist es zu spät. Und liest sich doch gut, so ein Interview, wie Sie es im Mai dem Stern gegeben haben: „Liebe Leute, es besteht kein Anlass, den Mann auszuwechseln, er hat gut gearbeitet.“ Außerdem gilt auch für einen Telekom-Chef: Sie müssen sich hinter ihn stellen, ehe Sie ihm in den Rücken fallen können.
4. So nicht, Edmund, so nicht!
Ja, wer ist denn hier Bundeskanzler, er oder Sie? Da haben Sie ihn schon zu Ihrem ersten Streitgespräch in die Bild-Redaktion mitgenommen. Und dann führt er sich auf wie der Herr im Haus. Glaubt ausgerechnet Ihnen sagen zu können, Sie würden tatenlos zuschauen, wie die Telekom das Geld der kleinen Aktionäre verbrennt. Das Duell kann er haben!
5. Solange Sie nichts tun können, reden Sie wenigstens. Und lassen Sie die Muskeln spielen.
Bis das Bild-Duell erscheint, sind noch ein paar Tage Zeit. So lange können Sie schon mal streuen, dass Sie Sommer feuern wollen. Damit klar ist, dass Sie der Wirtschaftskanzler sind. Wäre ja noch schöner, wenn vier Millionen Bild-Leser glauben, Sie würden nach Stoibers Pfeife tanzen. Und wer der neue Telekom-Boss ist? Herrgott, heute ist Samstag! Das wird doch noch ein bisschen Zeit haben!
6. Wenn Sie sich jetzt schon Zeit gelassen haben, warum sollten Sie sich nun auf einmal beeilen?
Der Boss eines Milliardenkonzerns will sorgfältig ausgewählt sein. So viele Manangerkumpels ohne Ämter haben Sie auch nicht mehr: Stollmann, Naumann, Hartz und Werner Müller waren alle schon mal dran.
7. Denken Sie das Undenkbare.
Wie wäre es mit Peter Hartz als neuem Telekom-Chef? Schließlich hat Ihnen der VW-Personalvorstand schon das Reformpapier für den Arbeitsmarkt geschrieben – und das kam gut an. Warum nicht gleich noch mal? Den Kommissionsbericht können Sie auch selber fertigschreiben. Andererseits: Den Hartz braucht man nach der Wahl wieder. Als Arbeitsminister. Oder Gesundheitsminister. Oder Verteidigungsminister.
8. Lassen Sie sich den Frust nicht anmerken. Sie sind der Wirtschaftskanzler.
Dass der Exmanager Ferdinand Piëch den Telekom-Job nicht will, hat auch Vorteile. Schon wieder ein VW-Vorstand sähe vielleicht wirklich ein bisschen komisch aus. Wo doch der Hartz demnächst Verteidigungsminister …
9. Überbrücken Sie die Wartezeit fantasievoll. Und lassen Sie Testballons steigen.
Wozu gibt’s Generalsekretäre? Wenn auf dem Platz nix los ist, kann man immer Franz Müntefering rausschicken. Hat er was gesagt, hat er nix gesagt? So groß ist der Unterschied nicht, aber am Ende steht doch irgendwie in der Zeitung: Der Aufsichtsrat soll’s richten. Das lässt genug Raum für Spekulationen.
10. Nun aber ab in den Urlaub.
Sie haben schon Recht: Kann denn nicht mal was ohne Sie laufen? Man muss auch mal loslassen können. Ziehen Sie sich also nach Hannover ins Reihenhaus zurück.
11. Lernen Sie Ihr Team kennen.
Nein, nicht Erik Zabel! Da strampeln sich noch ganz andere bei der Telekom ab: Die Staatssekretäre Overhaus und Zitzelsberger, die Aufsichtsräte Winkhaus und Tenzer – wird doch Zeit, dass Sie die mal kennen lernen. Hans Eichel ist schließlich auch im Urlaub.
12. Suchen Sie sich einen Sommer-Nachfolger aus.
Gerd Tenzer, na klar.
13. Denken Sie noch mal nach.
Ein Notnagel, na klar.
14. Nehmen Sie den nächsten.
Helmut Sihler, na klar.
15. Seien Sie ehrlich.
Ein Notnagel, na klar. Irgendeinen muss man ja nehmen.
16. Vertrauen Sie auf Ihre Frau.
Gut, dass heute Donnerstag ist. Donnerstag ist Stern-Tag. Und da hat Doris dann die Gelegenheit zu sagen: „Wir sind eine glückliche Familie.“
17. Üben Sie schon mal für das nächste Interview.
„Liebe Leute, es bestand wirklich keine Möglichkeit mehr, Ron Sommer zu halten, auch wenn ich das selbst am allermeisten gewünscht hätte.“ Liebe Leute.
18. Freuen Sie sich.
Bald geht die ganze Sucherei von vorne los.
19. Denken Sie an den kleinen Mann.
Es ist doch, wie Hans Eichel gesagt hat: Für Ron Sommer gibt es keine Abfindung. Schließlich hat er seinen Job freiwillig hingeworfen. Dass es da kein Geld gibt, weiß jeder Arbeitslose von um die Ecke. Als Kanzler sollten Sie darum den Satz parat haben: „Ich kann da nur vor einer Neiddebatte warnen, das schadet auch dem Standort Deutschland.“
20. Und was sagen Sie dazu, dass Sommer drei Jahre lang sein Gehalt von 2,5 Millionen Euro weiter bekommt?
Richtig! „Ich kann da nur vor einer Neiddebatte warnen, das schadet auch dem Standort Deutschland.“
21. Egal, was passiert: Sie sind der Wirtschaftskanzler!
Die ganze Kritik ist doch verlogen. Erst will die Presse eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Und jetzt sieht niemand den Erfolg! Das muss man erst mal hinkriegen, einen dreifachen Härtefall mit Arbeit zu versorgen: Immerhin ist der Neue bei der Telekom Rentner, arbeitslos und Österreicher.
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