: Mietervertreibung rechtlich zulässig
In einem Grundsatzurteil entschied das Verwaltungsgericht, dass Mietobergrenzen zum Schutz der Mieter vor Verdrängung unzulässig sind. Betroffen sind alle Mieter in den 15 Ostberliner Sanierungsgebieten. PDS hofft nun auf Berufungsurteil
von UWE RADA
Auf dieses Urteil haben die Hauseigentümer schon lange gewartet. Die in Berlin verhängten Mietobergrenzen, entschied gestern die 13. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichtes, „sind zum Schutz der angestammten Wohnbevölkerung vor Verdrängung unzulässig“. Das Urteil gilt für sämtliche 15 Sanierungsgebiete in Ostberlin, in denen die Bezirksämter die Genehmigung einer Modernisierung an die Einhaltung einer Mietobergrenze gekoppelt hatten. Wegen des Grundsatzcharakters des Urteils ist eine Berufung beim Oberverwaltungsgericht oder eine Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zulässig.
Dem Urteil vorausgegangen war die Klage eines Hauseigentümers im Sanierungsgebiet Samariterviertel in Friedrichshain-Kreuzberg. Die Verknüpfung einer so genannten „sanierungsrechtlichen Genehmigung“ mit Mietobergrenzen, so die Argumentation des Eigentümers, sei in Sanierungsgebieten rechtlich unzulässig. Das Bezirksamt hingegen argumentierte, dass der Schutz der Bevölkerung ein Sanierungsziel sei, das an die Erteilung einer Modernisierungsgenehmigung geknüpft werden könne. Seit mehr als sechs Jahren ist es in den Ostberliner Bezirken üblich, diesen Schutz vor Verdrängung durch die Einhaltung von Mietobergrenzen sicherzustellen. In Friedrichshain durfte zum Beispiel eine 70-Quadratmeter-Wohnung nach Sanierung bislang nicht mehr als 4,06 Euro netto kalt pro Quadratmeter kosten.
So sehr sich die Eigentümer nun die Hände reiben, so sehr stieß das Urteil beim Berliner Mieterverein auf Ablehnung. Geschäftsführer Hartmann Vetter rief das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg auf, alle Rechtsmittel auszuschöpfen. Während das Bezirksamt sich gestern nicht äußerte, erklärte ein Sprecher von Bausenator Peter Strieder (SPD), man werde das Urteil und dessen Begründung prüfen und sich mit den Bezirken beraten, wie man weiter verfahren werde. Ähnlich zurückhaltend äußerte sich der baupolitische Sprecher der PDS, Bernd Holtfreter. „Wir begrüßen, dass diese Frage nun endlich höchstrichterlich entschieden wird“, so Holtfreter. „Ich gehe davon aus, dass das Bundesverwaltungsgericht die langjährige Praxis der Berliner Bezirke bestätigen wird.“
Andere Experten reden allerdings Klartext. „Wird das Urteil bestätigt, ist das eine Katastrophe“, sagte die grüne Baupolitikerin Barbara Oesterheld der taz. Ähnlich äußerte sich auch Ulli Lautenschläger von der Mieterberatung Prenzlauer Berg. „Nach diesem Urteil werden die Eigentümer die Mietobergrenzen nicht mehr akzeptieren“, befürchtet er. Das betreffe nicht nur neu abzuschließende Mietverträge, sondern auch bestehende. „Der Druck auf die Mieter“, so Lautenschläger, „wird zunehmen.“
Einen Ausweg aus dem Dilemma hat das Verwaltungsgericht den Bezirken allerdings gelassen. Wenn der Schutz vor Verdrängung nicht als Sanierungsziel, sondern im Rahmen einer Milieuschutzverordnung formuliert werde, sei dies möglich. Doch auch in den so genannten Milieuschutzgebieten, die meist außerhalb der Sanierungsgebiete liegen, hat es bereits ein ähnliches Urteil gegeben. Darin heißt es, dass eine Modernisierung, die nur zur Ausstattung mit dem gültigen Standard führe, auch nicht verweigert werden darf, wenn Mietobergrenzen dadurch überschritten werden. Gegen dieses Urteil ist die Berufung durch das Bezirksamt Pankow noch anhängig.
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