: Grüne verspielen Kredit
Die grüne Regierungspartei zieht einen Schlussstrich unter die Affäre Özdemir. Parteichef Kuhn will künftig die Regeln der politischen Logik vermitteln. Union verteidigt politischen Lobbyismus
BERLIN dpa/ap/taz ■ Die Grünen haben die Kreditaffäre ihres Bundestagsabgeordneten Cem Özdemir für erledigt erklärt. „Özdemir hat einen politischen Fehler gemacht, den er auch eingesteht. Damit ist die Sache geklärt und erledigt“, sagte Grünen-Chef Fritz Kuhn gestern. Die Annahme des günstigen Privatkredits des PR-Lobbyisten Moritz Hunzinger sei „eine politische Eselei“ gewesen. Eine Affäre der Grünen könne aus dem Vorgang aber nicht gemacht werden, sagte Kuhn. Die Auftritte von Grünen-Spitzenpolitikern bei Veranstaltungen Hunzingers seien nicht zu beanstanden. „Das machen alle Parteien so“, sagte Kuhn. Seit 1998 seien Außenminister Joschka Fischer, Fraktionschef Rezzo Schlauch und Verbraucherministerin Renate Künast bei Veranstaltungen aufgetreten. Dafür seien Spenden an die Grünen geleistet worden.
Die Grünen müssten „kein schlechtes Gewissen haben, dass sie Vorträge halten“, sagte Kuhn. Es gehöre zu den Pflichten der Abgeordneten, bei Wirtschaft, Gewerkschaften und Verbänden aufzutreten. Kuhn kündigte an, künftig allen Grünen-Abgeordneten, besonders den jüngeren, die „Regeln der politischen Logik“ erläutern zu wollen.
Der Parteichef sagte, er gehe nicht davon aus, dass außer Özdemir auch andere Grüne Kredite von Hunzinger in Anspruch genommen hätten. Özdemir hatte 1999 einen Kredit in Höhe von 80.000 Mark zu dem Vorzugszinssatz von 5,5 Prozent von Hunzinger erhalten. Nach Hunzingers Angaben stammte der Kredit aus seinem Privatvermögen. Er habe auf Anraten seines Berliner Büroleiters Johannes Altincioglu geholfen. Altincioglu sagte gestern gegenüber der taz, Özdemir habe ihn 1999 angerufen und gefragt, „ob ich eine Idee hätte, wie man sein Problem lösen könnte“.
Die Union macht Özdemir keine Vorwürfe. Der Landesgruppenchef der CSU, Michael Glos, sagte, Lobbyismus gehöre in der Politik „zum ganz normalen Geschäft“. Im ZDF erklärte er, wichtig sei, dass sich Politiker dadurch nicht in ihren Entscheidungen beeinflussbar machten. „Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er sich abhängig fühlt oder ob von ihm Gegenleistungen erwartet werden“, so Glos. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und frühere Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse (CDA), Rainer Eppelmann, verteidigte ebenfalls den Umgang mit PR-Agenturen. Es gebe „kein Umgangsverbot mit PR-Agenturen“, sagte Eppelmann. Er rechtfertigte auch, dass das CDU-Mitglied Hunzinger Geschäfte mit Politikern anderer Parteien macht. „Es muss doch möglich sein, dass Menschen unterschiedlicher Parteien miteinander Geschäfte machen“, so der CDU-Politiker.
Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye erklärte am Montag in Berlin, nach Kenntnis der Bundesregierung habe kein weiteres Ministerium Geschäftskontakte zu Hunzinger. Der Leiter des Bundespresseamtes versicherte, auch in seinem Geschäftsbereich gebe es keine Kontakte zu Hunziger.
Hans Herbert von Arnim, Professor für öffentliches Recht an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, forderte eine strengere Bestrafung von Politikern bei Bestechung. „Nach dem heutigen Recht können Abgeordnete ganz legal bestochen werden. Das bestehende Strafgesetz ist viel zu eng, keiner muss in der Praxis Strafen fürchten“, sagte von Arnim. GB/LKW
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