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Arafats neue alte Männer

Der Palästinenserchef baut auf Druck des Auslands sein Kabinett um und setzt dabei auf vertraute Gesichter. Als unabhängig gilt allein der Finanzminister

Dem Innenminister und nicht mehr Arafat unterstehen jetzt die Sicherheitsdienste

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Jassir Arafats Gegner werden immer zahlreicher. Nicht nur die USA fordern eine Ablösung der Führung in den Autonomiegebieten, auch aus den eigenen Reihen ist der Ruf zumindest nach einer Gewaltenteilung und klaren Kompetenzdefinitionen immer lauter zu hören. Er soll Präsident bleiben, sagt Planungsminister Nabil Schaath, allerdings mit rein repräsentativen Aufgaben; die Amtsgeschäfte würden von einem „nach Gründung des Palästinenserstaates“ gewählten Premierminister übernommen werden. Kaum zehn Jahre sind es her, seit Jassir Arafat bei der Rückkehr aus dem Exil mit Jubelfeiern empfangen wurde, die heute nicht mehr möglich wären. Trotzdem freut sich zu früh, wer meint, das Ende Arafats sei nah.

Bereit zu personellen Veränderungen, schickt Arafat kurzerhand den Chef des Sicherheitsdienstes Dschibril Radschub nach Hause. Sein Nachfolger Soheir Manasra gilt als absolut treuer Gefolgsmann Arafats. In seinem neuen Amtssitz war er allerdings noch nicht. Das mag auch an den wiederholt verhängten Ausgangssperren liegen. Vor allem aber bereitet ihm die offene Opposition seiner künftigen Untergebenen Sorgen. „Die bestehende Situation macht es mir unmöglich, mein Amt auszuüben“, rechtfertigte sich der als moderat geltende neue Sicherheitschef. Zumindest soll er, israelischen Fernsehberichten zufolge, bei der Hamas-Führung bereits „höflich angefragt“ haben, die Terroranschläge künftig zu unterlassen.

Offiziell untersteht Manasra einem ebenfalls neuen Mann in den Führungsreihen: Innenminister Abdel Rasak Jehije. Mit der Zuordnung der Sicherheitsdienste zum Innenministerium geht Arafat einen ersten Schritt in Richtung Kompetenzteilung, schließlich „sollte nicht nur ein einziger Apparat gleichzeitig für politische Verhandlungen, Sicherheitskooperation und die Sicherheitsdienste verantwortlich sein“, so der Abgeordnete Hatem Abdel Qader, einer der führenden Reformer. Bisher unterstanden die Dienste direkt Arafat. Problematisch ist, dass der neue Innenminister Arafat strikt loyal gegenübersteht und keine Entscheidungen ohne Absprachen treffen wird. Der 73-jährige General im Ruhestand diente vor mehr als 30 Jahren in den Reihen der Palästinensischen Befreiungsarmee und war später Mitglied des PLO-Exekutivrats. Seit 1999 ist er verantwortlich für die Verhandlungen bei den Endstatus-Gesprächen über Sicherheit und Grenzen.

Der Mann, auf den Israel und offenbar auch Washington – nicht zuletzt ist er im Besitz der amerikanischen Staatsbürgerschaft – die größten Hoffnungen setzt, heißt Salam Fayyad, der neue Finanzminister im Autonomiegebiet. Fayyad wurde 1952 in Nablus geboren, studierte in Beirut und in den USA. Er gilt als Technokrat und unbedingter Profi in seinem Bereich. Bevor er Regionalmanager der „Arab Bank – Palestine“ wurde, arbeitete er für die Weltbank. Seine Mission heißt, der Korruption ein Ende zu bereiten und die palästinensischen Finanzen transparenter zu machen. So beauftragte er bereits die Banken, ihn über eventuelle Unregelmäßigkeiten in Kenntnis zu setzen.

Die entscheidene Prüfung für ihn wird jedoch der Umgang mit den Privatkonten Arafats sein. Auf diesen sollen sich in den vergangenen Jahren mehrere hundert Millionen Dollar angesammelt haben. Wie das funktionierte, beschreiben israelische Medien folgendermaßen: Arafat rechnet die aus dem Ausland eintreffenden Dollars für die Löhne an seine Sicherheitsdienste in israelische Schekel um, wobei er seinen eigenen Umtauschkurs festsetzt: 3,6 Schekel pro Dollar. Die offizielle Rate liegt derzeit jedoch bei 4,7 Schekel pro Dollar.

Die Prüfung für den Finanzminister ist der Umgang mit den Privatkonten Arafats

Parteiunabhängig ist auch der neue Justizminister Ibrahim Daghme, der eine unabhängige Justiz aufbauen muss. Der Jurist, der in Kairo studierte, kehrte 1993 aus dem arabischen Katar zurück, wo er zuletzt im Justizministerium tätig war.

Die Strategie des um sein politisches Überleben ringenden Palästinenserchefs ist offensichtlich. Einerseits versammelt er Männer um sich, die entweder in die Reihen seiner Gefolgsleute gehören oder politisch bedeutungslos sind. Andererseits verschwinden seine mächtigsten Kritiker von der Bildfläche, darunter auch Gesichter, mit denen weder Israel noch die Amerikaner je Probleme hatten. Dabei spielte dem ewigen Überlebenskünstler Arafat erneut das Schicksal in die Hände. Parlamentspräsident Abu Ala erholt sich immer noch im Ausland von einer Herzattacke, die ihn fast das Leben kostete. Abu Masen, der jahrelang als die politische Nummer zwei hinter Arafat gehandelt wurde, ist ebenfalls gesundheitlich schwer mitgenommen, seit im Juni sein 42-jähriger Sohn aus einer Narkose nicht mehr aufwachte. Das Problem Marwan Barghuti, Chef der Tansimmilizen, haben Arafat die Israelis abgenommen, als sie in der vorvergangenen Woche über ein Gerichtsverfahren gegen ihn entschieden.

Bleibt Mohammad Dahlan, Chef des Sicherheitsdiensts im Gaza-Streifen, der sich vorläufig freiwillig aus dem öffentlichen Geschäft zurückgezogen hat. Noch kurz vor seinem Rücktritt wies Dahlan gegenüber der taz zurück, dass er Ambitionen auf das Amt des Regierungschefs hege. „Arafat ist der Einzige, der Entscheidungen treffen kann, und ich werde ihm dabei helfen.“

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