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Rätseln über Iran-Connection

Der argentinische Expräsident Menem soll die Aufklärung eines Anschlags auf ein jüdisches Zentrum verhindert haben

PORTO ALEGRE taz ■ Noch vor wenigen Tagen gab sich Carlos Menem siegessicher: Er werde „Argentinien wieder unter die besten Nationen der Welt führen“, tönte der 72-jährige Expräsident. Nach dem Verzicht seines aussichtsreichen innerparteilichen Konkurrenten Carlos Reutemann schien das Comeback des neoliberalen Peronisten immer wahrscheinlicher. Als Wundermittel versprach er die Dollarisierung Argentiniens, mit Washington sah er sich im Gleichschritt.

Eine Titelgeschichte der New York Times könnte ihm nun zum Verhängnis werden. Aufgerollt wird darin der schleppende Prozess um den Bombenanschlag auf das Jüdische Kultur- und Gemeindezentrum in Buenos Aires im Juli 1994, bei dem 85 Menschen starben. Hinweise seien ignoriert worden, Beweise verschwunden. Vor Gericht stehen lediglich 20 Argentinier, die als Helfershelfer angeklagt sind. Die Auftraggeber wurden unter argentinischen Militärs vermutet – doch dann verdichteten sich die Spuren in Richtung Iran.

Als Schlüsselfigur gilt nun Abolghassem Mesbahi, ein ehemaliger iranischer Geheimdienstagent, der sich unter dem Schutz des BKA in Deutschland aufhält. Entscheidend war seine Aussage bereits im Mykonosprozess, als er die iranische Staatsführung für die Morde an vier kurdischen Regimegegnern im Jahre 1992 verantwortlich machte.

Auch hinter dem Bombenanschlag in Buenos Aires stecke die iranische Regierung, sagte Mesbahi den argentinischen Ermittlern. Nach dem Anschlag habe Carlos Menem einen Emissär nach Teheran geschickt. Daraufhin habe er zehn Millionen Dollar erhalten – auf ein Nummernkonto in Genf. Im Gegenzug sollte er behaupten, dass es keine Beweise gegen Iran gebe.

Diese Aussagen sind zwar seit letztem Jahr bekannt. Jetzt allerdings gab Menem erstmals zu, ein Konto in der Schweiz zu besitzen. Darauf habe er aber nur eine Entschädigung überwiesen, die er als Verfolgter des Militärregimes erhalten habe. Mit Zinsen belaufe sich der Betrag mittlerweile auf 600.000 Dollar.

Wegen dieses scheinbar harmlosen Geständnisses steht der vermeintliche Retter der Nation nun plötzlich als Lügner und Steuerhinterzieher da, gegen den das argentinische „Antikorruptionsbüro“ ermittelt. Das endgültige K.o. droht Menem allerdings aus Washington, wo er noch vor kurzem hofiert wurde. Dort nimmt man gerade den Iran ins Visier. Für Menem wird sich ein Ersatz finden.

GERHARD DILGER

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