: Politik tarnt V-Leute
Antragsteller im NPD-Verbotsverfahren wollen Identität der Spitzel geheim halten. Bund und Länder erteilen Bundesverfassungsgericht genauere Auskünfte nur unter Vorsichtsmaßnahmen
KARLSRUHE taz ■ Die NPD wurde „nicht durch staatliche Organe fremdbestimmt“. Das ist die zentrale Aussage eines Schriftsatzes, den die Anwälte von Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag beim Bundesverfassungsgericht eingereicht haben. Das 47-seitige Papier liegt der taz vor.
Demnach sind auch die Handlungen und Äußerungen von V-Leuten (Vertrauensleuten) der Partei zuzurechnen. Denn bei V-Leuten handele es sich um überzeugte Rechtsextremisten, die sich von ihren Parteikollegen nur dadurch unterschieden, dass sie staatlichen Stellen gegen Geld Informationen aus der Partei zukommen lassen. Es habe aber keinen Auftrag an V-Leute gegeben, die NPD zu „radikalisieren“. Dergleichen könnte angesichts der vielen Beteiligten auch „gar nicht geheim bleiben“, argumentieren die Anwälte.
Dabei stützen sie sich auch auf ungewöhnliche Kronzeugen. So wird eine Schrift des enttarnten NPD-Spitzels Wolfgang Frenz zitiert, wonach es nur einmal einen politischen Auftrag des Verfassungsschutzes an ihn gegeben habe. Vor einer NRW-Landtagswahl habe er in der NPD zur Wahl der SPD aufrufen sollen, um eine Regierungsbeteiligung der Grünen zu verhindern. Wie glaubwürdig Frenz ist, sagen die Anwälte selbst: Der angesprochene Vorfall werde „bestritten“. Zugegeben wird in dem Schriftsatz die Existenz von acht namentlich bekannten sowie vier weiteren V-Leuten des Verfassungsschutzes. Außerdem habe an drei Stichtagen 1997, 2001 und 2002 der V-Mann-Anteil unter den jeweils rund 200 Vorstandsmitgliedern in Bund und Ländern nicht mehr als 15 Prozent betragen. Diese eher hohe Zahl wird nicht näher bewertet.
Militärischer Abschirmdienst und Bundesnachrichtendienst hätten, so die Anwälte, keine V-Leute in der NPD platziert. „Vereinzelt“ habe es aber V-Leute bei der Polizei gegeben. Der Vorwurf eines Polizeigewerkschafters, polizeiliche V-Leute hätten für NPD-Kader Reden geschrieben, treffe allerdings nicht zu.
Zu weiteren Auskünften über V-Leute in der NPD sind die Innenministerien nur „unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen“ bereit. Der NPD und auch der Öffentlichkeit müssten solche Informationen vorenthalten werden. Denkbar sei etwa die Einschaltung eines beauftragten Richters, wie es das Verfassungsgericht für Verfahren mit Geheimdienstbezug früher selbst vorgeschlagen habe.
Die Antragsteller reagieren mit ihrem Schriftsatz auf eine Bitte des Bundesverfassungsgerichts. Bis zum 31. Juli wollte das Gericht sich ein genaueres Bild über die Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes und anderer Dienststellen mit V-Leuten in der NPD machen. Am 8. Oktober findet in Karlsruhe ein „Erörterungstermin“ zu diesem Thema statt. CHRISTIAN RATH
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