: Gregor Gysi macht den Abflug
Der PDS-Wirtschaftssenator ist überraschend von seinem Amt zurückgetreten. Wowereit bricht Urlaub ab. SPD: Affäre um Bonusmeilen kein Grund sich aus der Verantwortung zu stehlen. CDU: Anfang vom Ende des rot-roten Senats. Grüne: Zu spät
von GEREON ASMUTH und RICHARD ROTHER
Gregor Gysi ist gestern Abend von seinem Amt als Berliner Wirtschaftssenator zurückgetreten. Der PDS-Politistar begründete seine überraschende Entscheidung mit der Affäre um die private Nutzung von so genannten Bonusmeilen bei der Lufthansa. Gysi hatte in seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter durch offizielle Flüge die Möglickeit für Gratisflüge erworben und diese für private Flüge genutzt. Damit habe er einen Fehler begangen, erklärte Gysi, „den ich mir nicht verzeihen will“.
Am Montag hatte Gysi erstmals die private Nutzung der Gutschriften eingestanden. Seine Fehler begründete er mit einer entsprechende Information seiner Fraktiojn, nach der die Nutzung unbedenklich sei. Den eingesparten Betrag wolle er nun amnesty international spenden.
Gestern abend erklärte Gysi dann wörtlich: „Dass ich gedankenlos einer Fehlinformation folgte, zeigt mir, dass ich mich entfernt habe von meinen Wählerinnen und Wählern, dass ich dabei bin, so zu werden, wie ich nie werden wollte, verbunden mit einem Verlust an Ansehen und Glaubwürdigkeit. Kurzum: Ich fürchte mich vor meinen eigenen Persönlichkeitsveränderungen.“
Der Fraktionschef der SPD im Abgeordnetenhaus, Michael Müller, äußerte Unverständis über Gysis Entscheidung. Die private Nutzung von Bonunsmeilen halte seine Fraktion nicht für einen Rücktrittsgrund, betonte Müller. Sie sei zwar eine Dummheit, rechtfertige jedoch nicht, „dass der Senator sich seiner Anfang des Jahres übernommene Verantwortung für die Stadt nicht stellt.“
Gysi habe „von Anfang an überhaupt keine Lust gehabt, in einem Senat unter Wowereit zu arbeiten“, sagte CDU-Fraktionschef Frank Steffel. PDS und Senat hätten ihren „einzigen Star“ verloren. Nunmehr regiere das „Mittelmaß“. Der Rücktritt Gysis sei der „Anfang vom Ende“ der rot-roten Koalition.
Für die Grünen wäre der Rücktritt ein „respektabler Schritt“, wäre er aufgrund der Bonus-Meilen-Affäre erfolgt. Dass Gysi allerdings erst einige Tage nach Bekanntwerden der Affäre zurückgetreten sei, obwohl niemand dies gefordert habe, lege die Vermutung nahe, dass auch andere Gründe eine Rolle gespielt haben könnten, sagte die Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz. Gysis Weigerung, sich als Abgeordneter einer Überprüfung durch die Gauck-Behörde zu unterziehen, hätte für die nächsten Tage viel Ärger verheißen. Sein Rücktritt müsse zudem als ein Kneifen vor der schwierigen Lage in Berlin interpretiert werden. Weder Gysi noch die PDS seien den Problemen der Stadt gewachsen. Klotz: „Der Senat ist destabilisiert.“
FDP-Fraktionschef Matthias Lindner vermutet, dass die Meilen-Affäre für Gysi ein willkommender Anlass sei, das „sinkende Schiff“ zu verlasssen. Der Senat habe einen verfassungswidrigen Haushalt vorgelegt, die Umfragewerte der PDS sänken, die Überprüfung der Stasi-Vergangenheit stehe aus. „All das zusammen wird der Grund sein.“
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