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Gut geschminkt auf Frauenfang

Edmund Stoiber lässt sich als verständnisvoller Familienvater der Union bejubeln. Seine Trümpfe sind die wohlgeratene Tochter und 600 Euro pro Kind. Gesetze zur Gleichstellung hat er nicht zu bieten, doch das stört die weiblichen Fans nicht im Geringsten

„Der Stoiber hat keine vier Frauen verschlissen, um ins Amt zu kommen“

aus Ludwigshafen HEIDE OESTREICH

Diese Kundgebung kann nur in einer Stadt wie Ludwigshafen stattfinden. In der pfälzischen Heimat Helmut Kohls ziehen sie mit schwarzen Basecaps und Trillerpfeifen durch die Straßen. Doch unter den Kappen stecken nicht etwa jugendliche Protestierer, sondern gutbürgerliche, mittelalte Damen. Nicht wenige von ihnen tragen zur Schirmmütze ein Dirndl. Den Aufkleber, der das Internet-@ mit einem Damenmund kombiniert: Ed-mund, haben sich einige keck aufs Dekolletee geklebt.

Die Frauen-Unionen von CDU und CSU hatten zur zentralen Wahlkundgebung aufgerufen an diesem Sommersamstag: „Frauenstimmen zählen, wir werden Stoiber wählen!“, skandieren etwa 1.500 Damen noch, als sie sich zur Schlusskundgebung (mit Stoiber!) schwitzend an Biertischen niederlassen.

Die Gegendemo beschränkt sich auf drei junge PDSlerInnen, die ab und zu „pfui“ und „buh“ rufen, und einige junge Menschen in Schwarz, die „mal sehen“ wollen, „was so geht“ (abends werden sie ein rohes Ei auf Stoibers Schulter platzieren). Jeder von ihnen hat einen eigenen Polizisten – „so ist das halt, wenn Prominente kommen“, sagt einer der Ordnungshüter.

Da sind sie, die Prominenten. Die Versammlung erschauert unter der ohrenbetäubenden Fanfare von „The final Countdown“. Der Kandidat zieht ein, mit Frau, Tochter, Frauenunions-Gefolge und Katherina Reiche aus dem Kompetenzteam. „Der Stoiber ist ja geschminkt“, fällt einer Dirndlträgerin gleich auf.

Geschminkt, aber doch ganz echt präsentiert sich Stoiber, der nun auf dem Podium befragt und mit ausgewählten Damen aus der „Gesellschaft“ konfrontiert wird. Es offenbart sich dabei die Doppelstrategie der Union zur Akquise von Frauenstimmen: Einerseits wird die alte Familie-als-Keimzelle-Strategie weitergefahren. Das Familiengeld von 600 Euro pro Kind steht in dieser Tradition. Dieses Versprechen soll aber andererseits auch junge Damen locken: Damit wäre auch all den Existenzgründerinnen, Alleinerziehenden und Wiedereinsteigerinnen geholfen, suggeriert der Kandidat: Edmund Stoiber gibt den ideellen Gesamtfamilienvater. Da fühlt die deutsche Frau sich „gut aufgehoben“, wie eine Demonstrantin erklärt. Für die jungen Aufsteigerinnen gibt es dazu ein junges Aufsteigerinnengesicht: Nach der Familienphase wieder einsteigen in die Karriere, dafür müsse es mehr Hilfen geben, findet Katherina Reiche. Brav betet sie das Parteiprogramm herunter und ist zu allen Ministerämtern bereit, „natürlich nur, wenn mein Kind gesund ist“ – Claudia Nolte lässt grüßen.

Außer Frau Reiche, die sich für die Politik opfert, machen in der Union natürlich die Frauen die Kinderpause. „Es ist bekannt, dass Kinder am glücklichsten sind, wenn sie daheim von der Mutter betreut werden“, posaunt etwa auf dem Podium die Bankerin, die nun mit drei Töchtern zu Hause sitzt. Und Stoibers Tochter Veronika, Juristin, meint ebenfalls augenzwinkernd, ihre zukünftigen Kinder täte sie dann schon lieber selbst betreuen, als es dem Mann zu überlassen. Ob sie den Vätern aus eigener Erfahrung nichts zutraut?

Das Beispiel für den von der Union propagierten erfolgreichen Wiedereinstieg, eine Mutter mit vier Kindern, kann allerdings nur eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als Broterwerb vorweisen. „Wenn ich meine Kinder erwähnte, konnte ich die Bewerbung gleich wieder mitnehmen“, erzählt sie. Bricht nun die Realität ein in die heile Stoiberwelt? Ist der Kandidat berührt und fordert Väter zu mehr Aktivität auf? Oder kündigt er Gesetze an, die Müttern helfen? Gar ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft? Nichts dergleichen. Stattdessen kommt die alte Leier von der kinderfeindlichen Gesellschaft, die sich qua Appell ändern müsse.

Warum reicht den Frauen das? Warum demonstrieren sie gar dafür? „Der Schröder hat doch erst recht nichts gemacht“, fällt einer Demonstrantin aus Amberg ein. Und ein Gleichstellungsgesetz will sie sowieso nicht haben. Die Wirtschaft ändere sich von allein. So wie die Union, die habe sich ja auch geändert. Tatsächlich ist die Rhetorik modernisiert: „Gucken Sie mal, das ist gar nicht mehr so dramatisch“, sagt eine junge Frau: „Die schreiben sogar ‚Einelternfamilie‘ in ihre Broschüre!“ Na, dann! Die Operation Imagewandel für junge Damen scheint trotzdem nicht ganz aufzugehen: Die jungen Gesichter auf dem Platz sind rar – es dominieren die Rosis, Gertrauds und Annemaries. „Der Stoiber hat keine vier Frauen verschlissen, um ins Amt zu kommen“, ruft Annemarie Uniewski über den Lärm. „Der hat eine saubere Sozialstruktur!“ Und Rosi Zimmermann aus Amberg erklärt, dass dank ihres mütterlichen Opfers alle vier Kinder anständig geraten seien: „Alle ordentlich verheiratet, keiner geschieden!“ Dafür habe sie durch rechtzeitige Auslese unordentlicher Freundinnen gesorgt. Die SPD dagegen wolle Frauen verordnen, zu arbeiten, weiß eine ihrer Kolleginnen. Aber wenn die Kinder nicht von der Mutter betreut würden, das führe dann zu „so was wie Erfurt!“

Das hohe Lied der sich opfernden Mutter, das Kohl so gerne sang, tönt auch bei Stoiber weiter. Hier in Ludwigshafen, wo Helmut Kohls Frau Hannelore, die Opferbereite, sich das Leben nahm, klingt es irgendwie fatal. „Die Welt verändert sich – und ihr baut auf Tradition“, hält eine einzelne Gegendemonstrantin Stoiber und der Union auf einem Pappschild vor. Der Pressesprecher der Jungen Union schaut interessiert zu: „Das kann man so sagen“, meint er zufrieden.

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