: Maulkorb für Betriebsrat
Gericht bestätigt einstweilige Verfügung gegen Betriebsrat des Krankenhauses Neukölln. Der muss nun umstrittene Äußerungen über Zustände in der Klinik unterlassen, will aber erneut vor Gericht ziehen
Das Landgericht Berlin verpflichtet den Betriebsratsvorsitzenden des Krankenhauses Neukölln, Volker Gernhardt, zum Schweigen. Das Gericht bestätigte gestern eine einstweilige Verfügung, die der Chef des städtischen Klinikkonzerns Vivantes, Wolfgang Schäfer, erwirkt hatte, nach der Betriebsrat Gernhardt umstrittene Äußerungen in der Öffentlichkeit nicht wiederholen darf.
Im Kern geht es um Aussagen, die Schäfer auf einer Belegschaftsversammlung gemacht haben soll und die eine „Aktionsgruppe“ in einem offenen Brief kolportiert hatte. Gernhardt hatte zur Unterzeichnung des offenen Briefes aufgerufen.
Auf der Betriebsversammlung soll Schäfer nach Gernhardts Aussagen sinngemäß geäußert haben, die Qualität der Patientenversorgung habe nichts mit der Zahl und der Ausbildung der Beschäftigten zu tun.
Diese Aussage sei selbstverständlich „Blödsinn“, sagte gestern Schäfers Anwalt, Benedikt Bräutigam. Schäfer sei lange genug im Geschäft, um zu wissen, was er sage. Schäfers Äußerungen seien offenbar bewusst missverstanden worden.
Schäfer hatte daraufhin per einstweilige Verfügung die Verbreitung dieser Behauptung untersagt. Diese Verfügung wurde gestern in einem Eilverfahren bestätigt, die Hauptverhandlung findet vermutlich in rund vier Wochen statt.
Schäfers Anwalt Bräutigam zeigte sich gestern „zufrieden“ mit dem Urteil. Bräutigam bedauerte allerdings, dass der Streit vor Gericht eskaliert sei. Beide Parteien hätten einen Vergleich finden können.
Gernhardt sprach hingegen von einem „Maulkorb“, der ihm verpasst worden sei. Er habe vor Gericht vierzehn Erklärungen von Zeugen vorgelegt, die seine Version der Äußerungen auf der Betriebsversammlung bestätigten.
Der Gewerkschafter Gernhardt sieht sich von der Klinikleitung unter Druck gesetzt, weil er Missstände im Krankenhaus nicht hinnehmen will. So habe er im Zusammenhang mit dem offenen Brief eine Abmahnung erhalten, beklagt sich Gernhardt. Dagegen will der Betriebsrat nun arbeitsrechtlich vorgehen. Vivantes-Chef Schäfer wirft Gernhardt hingegen vor, ein „Horrorszenario“ zu konstruieren, das Mitarbeiter und Patienten verunsichere.
In dem offenen Brief war beklagt worden, dass „sich der Personal- und Bettenabbau negativ auf die Patientenversorgung auswirkt“. Kranke Menschen würden in ihren Betten auf Stationsfluren stehen, Patienten müssten länger auf Operationen warten. Gernhardt wiederholte gestern diese Vorwürfe, die Gegenstand einer weiteren Abmahnung gegen ihn seien: „Das kann ich beweisen.“ ROT
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