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Massenblatt druckt Anzeige

Weil „Bild“ die Strafanzeige des SPD-Generals abdruckt, ermittelt der Staatsanwalt

Die Bild stellt ihre Leser vor eine schwierige Entscheidung: „Darf es sein, dass der SPD-Generalsekretär die Enthüllungen per Strafanzeige stoppen kann?“ Franz Müntefering hat ja Bild wegen der Berichterstattung über die „Freiflug-Affäre“ angezeigt. Bild hat nun diese Strafanzeige in der gestrigen Ausgabe abgedruckt und fordert die Leser auf der Titelseite auf abzustimmen: „Nein, solche Enthüllungen wie über die Freiflüge der Politiker dürfen NICHT VERBOTEN werden.“ Oder: „Ja, solche Enthüllungen sollten VERBOTEN werden.“

Die taz fordert nun ihrerseits die Leser zur Abstimmung auf: „Darf es sein, dass Bild sich vorzeitig vom Leser-Geschworenen-Tribunal freisprechen lässt?“ Das könnte ja ein Fall „präjudizierender“ Berichterstattung sein, wie ihn der Presserat gar nicht gerne sieht. Denn die Prognose ist wohl nicht gewagt, dass die Bild-Leser auf „NICHT VERBOTEN“ befinden werden – und damit auf „nicht schuldig“ für Bild. Eigentlich soll ein Passus im Pressekodex den Verdächtigen davor schützen, voreilig von der Presse schuldig gesprochen zu werden. Hier ist dagegen die Presse selbst „verdächtig“ und um den „Freispuch“ durch die Leser bemüht. Der Presserat gibt sich unterdessen zurückhaltend: „Wir haben das noch nicht vorliegen“, hieß es dazu nur. Bild-Chefredakteur Kai Diekmann hatte sich kürzlich über die „Vorverurteilung“ von Bild durch den Presserat beschwert.

Problematischer könnte für Diekmann aber werden, dass die Hamburger Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen „Verantwortliche der Bild-Zeitung“ wegen des Abdrucks der Strafanzeige des SPD-Generals eingeleitet hat. „Dreidreiundfünzig Dora“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Rüdiger Bagger, im Hinblick auf die eventuell einschlägige Strafnorm. Dort steht, dass mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft wird, wer „die Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke eines Strafverfahrens (…) ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt.“

In der Bild-Chefredaktion wusste man von dem Verfahren zunächst noch nichts. Diekmann sagte allerdings, Bild habe die Strafanzeige abgedruckt, weil sie „ein Dokument der Zeitgeschichte“ sei, die den Versuch dokumentiere, die Presse „mit Hilfe der Staatsanwaltschaft zu gängeln“. HEIKO DILK

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