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Wer Stoiber wählt, stimmt für die Atomkraft

An der begrenzten Laufzeit für bestehende AKWs wird die Union festhalten. Aber das Verbot, neue Reaktoren zu bauen, will sie bei einem Wahlsieg kippen

BERLIN taz ■ Der Vorstoß stammt aus einer Zeit, als der Kanzlerkandidat noch ganz frisch auf dem Wahlkampfparkett war: Edmund Stoiber hatte im März erklärt, im Falle seines Wahlsiegs werde der Atomkonsens aufgekündigt. Verdutzt musste er dann feststellen, dass weder die Stromkonzerne noch die Union über diesen Vorstoß in Verzückung gerieten.

„Wir sind eine Verpflichtung eingegangen, und dazu stehen wir auch“, beeilte sich Günter Marquis, Präsident des Verbandes der Elektizitätswirtschaft (VDEW), zu erklären. Der Atomausstieg habe „einen langfristigen Prozess eingeleitet“. Wenn den eine neue Regierung in Frage stelle, sei das „nicht gut“.

Es war Unionsfraktionschef Friedrich Merz, der Stoiber belehrte und deutlich machte, worum es der Union wirklich geht: „Es gibt noch sehr viel Zeit, sich mit der Industrie darüber zu verständigen, vor welchen energiepolitischen Notwendigkeiten Deutschland in 15 oder 20 Jahren steht.“

Sehr viel Zeit war nicht notwendig, um Stoiber die feinen Unterschiede zu erklären. Die meisten Atomreaktoren sind bis zu ihrem festgeschriebenen Laufzeitende ohnehin abgeschrieben und technisch überaltert.

Das Neubauverbot für Atomreaktoren allerdings, die wesentliche Leistung des Konsenses, würde die Union im Fall eines Wahlsiegs wohl aufheben. Etwa ab dem Jahre 2010 ist der deutsche Kraftwerkspark so veraltet, dass die Industrie mit dem Bau neuer Anlagen beginnen müsste.

Es gibt Schätzungen, dass zu diesem Zeitpunkt etwa die Hälfte der bestehenden Kraftwerksleistung ersetzt werden muss. Und die großen deutschen Stromkonzerne würden viel lieber ein paar Atomkraftwerke bauen, als sich mit lästigen kleinen Windrädern befassen zu müssen. „Ich sage nicht, dass wir sofort neue AKWs brauchen. Ich sage: Wir müssen uns die Option offen halten“, erklärt Kurt-Dieter Grill, Energieexperte der Unionsfraktion im Bundestag. Und Grill hat gute Argumente zur Hand, die er als „Maximen für eine zukunftsorientierte Energiepolitik im 21. Jahrhundert“ zu Papier brachte.

Argument Nummer eins: „Ohne den Beitrag der klimaneutralen Kernenergie würden unsere internationalen Reduktionsverpflichtungen zunehmend unerreichbar.“ Deutschland verabschiede sich damit von seiner internationalen Vorreiterrolle im Klimaschutz.

Argument Nummer zwei: „Wir brauchen das hohe sicherheitstechnische Know-how Deutschlands für die im Zuge der EU-Osterweiterung anstehende Nachrüstung der dortigen Kernenergieanlagen.“

Argument Nummer drei: „Deutschland ist ein Industrieland, das seinen Wohlstand zuvörderst aus einem dynamischen Vorsprung bei Wissen, Innovation und Technologien bezieht.“ Das Verbot einer ganzen Spitzentechnologie sei „ein verheerendes Signal“.

Insofern ist die Wahl am 22. September auch eine Abstimmung über den ungeliebten Atomkonsens: Wer die Union wählt, wählt Atomkraft. NICK REIMER

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