: Skepsis auf beiden Seiten
US-Regierung und Vertreter der irakischen Opposition haben das gleiche Ziel: den Sturz von Saddam Hussein. Dennoch herrscht Misstrauen. Und ob Saddams Gegner zusammenarbeiten ist fraglich
aus Istanbul JÜRGEN GOTTSCHLICH
„Das irakische Militär, einschließlich der Republikanischen Garden, ist bereit, sich gegen Saddam Hussein zu erheben. Das irakische Volk hofft auf seine Befreiung.“ Glaubt man Scharif Ali Bin al-Hussein, einem Sprecher der irakischen Opposition, gibt es für die US-Planer eines Angriffs auf den Irak kein Problem mehr. Doch auch nach zweitägigen Gesprächen mit irakischen Oppositionsvertretern in Washington haben beide Seiten große Zweifel an der Seriosität der jeweils anderen.
Am vergangenen Freitag und Samstag waren Vertreter sechs irakischer Oppositionsgruppen zu Gesprächen in Washington. Nachdem man am Freitag mit Spezialisten des US-Außenministeriums diskutiert hatte, waren am Samstag die Big-Shots an der Reihe. Schiiten, Kurden, Monarchisten und irakische Exmilitärs konferierten per Videoschaltung mit Vizepräsident Dick Cheney, der sich eine Erklärung anhörte, nach der alle Gruppen gewillt seien, zusammenzuarbeiten, um Saddam Hussein zu stürzen. Im Gegenzug versicherte ihnen Cheney, die US-Regierung sei dieses Mal wirklich fest entschlossen, Saddam zu stürzen.
Ähnliches bekamen die Oppositionsvertreter auch von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zu hören, der schwärmte, wie fantastisch es doch wäre, wenn man im Irak afghanische Verhältnisse herstellen könnte.
Über das Treffen mit dem obersten US-Militär, Generalstabschef Richard B. Myers, gab es keine Erklärung, sieht man von der Behauptung Scharif Alis ab, das irakische Militär warte nur darauf, gegen Saddam loszuschlagen. Dass Myers diese Botschaft mit großer Skepsis angehört haben dürfte, hängt auch mit der Person Scharif Ali Bin al-Hussein zusammen. Der ist einer der letzten Angehörigen des irakischen Zweigs der Haschemiten-Dynastie und ein Cousin des jordanischen Königshauses. Als das irakische Militär den König 1958 davonjagte, war Scharif Ali zwei Jahre und hat seitdem den Irak nicht mehr betreten. Trotzdem hofft er, dass die Monarchie im Irak reinstalliert werden und er den Thron besteigen kann.
Scharif Ali repräsentiert den monarchistischen Flügel im „Irakischen Nationalkongress“, der in London residiert und für sich in Anspruch nimmt, die Dachorganisation der irakischen Opposition zu sein. Angeführt wird der Kongress von Ahmad Tschalabi, mit dem Washington über Zahlen streitet, weil er angeblich die Verwendung mehrerer Millionen Dollar, die ihm die Clinton-Administration für den Sturz gegen Saddam zur Verfügung gestellt hat, nicht belegen kann.
Das größere Problem der Dachorganisation ist, dass die wichtigsten Oppositionsgruppen im Nationalkongress nicht mitmachen. Weder die Kurden noch die Schiiten sind vertreten. Von den beiden irakischen Kurdenführern war nur Dschelal Talabani nach Washington gekommen, während Masud Barsani einen Vertreter schickte. Auch der Chef der von Teheran aus operierenden schiitischen Oppositionsvereinigung, Ajatollah Muhammad Baqir al-Hakim, war nicht selbst gekommen, sondern hatte seinen Bruder Abdal Asis geschickt.
Ganz bedeckt hielten sich die Abgesandten der so genannten „Militärischen Allianz“, in der sich abgesprungene ehemalige Offiziere Saddams zusammengefunden haben. Unter ihnen auch General Nisar al-Kasraj, Generalstabschef Saddams während der Kuwait-Invasion, der heute in Dänemark lebt.
So wenig glaubwürdig es deshalb sein dürfte, dass die Kurden ernsthaft mit Männern wie Nisar al-Kasraj zusammenarbeiten wollen, so wenig trauen Kurden und Schiiten auch den USA. Die Versicherungen Cheneys und Rumsfelds wecken Erinnerungen an den März 91, als Bush senior Schiiten und Kurden im Stich ließ, nachdem er sie zum Aufstand ermuntert hatte. Auch 1995 blies Clinton eine CIA-Operation zum Sturz Saddams in letzter Sekunde ab und ließ danach rund 5.000 Kurden nach Guam ausfliegen.
Gerade die Kurden sind seit 1970 von US-Regierungen immer wieder verraten worden und stehen einem US-Krieg gegen Saddam skeptisch gegenüber. „Wir denken nicht daran“, sagte Talabani, „die USA blind zu unterstützen.“ Die Kurden wollen die Garantie, dass Saddam nicht durch einen „irakischen Karsai“ ersetzt wird und sie auch nach einem Krieg eine größtmögliche Autonomie in ihren Gebiet behalten können.
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