: Sat.1 will weitermenscheln
Sat.1 gilt nicht gerade als Nachrichtensender. Mit Blick auf die Bundestagswahl will der Sender dieses schlechte Image korrigieren: Talk-Urviech Erich Böhme soll’s richten, bevor er endgültig in Rente geht
von HEIKO DILK
Man kann das natürlich so machen. Man kann den Begriff Nachwuchs weitläufig definieren. Dann gehört auch Peter Limbourg noch zum Nachwuchs. Der ist zwar schon 43, aber er wird von Sat.1-Geschäftsführer Martin Hoffmann als Erstes genannt, wenn die Frage nach den jungen politischen Köpfen bei Sat.1 kommt. Was den Bekanntheitsgrad und das Profil des N24-Chefredakteurs angeht, ist er tatsächlich noch ein Frischling. Dennoch fiel die Wahl auf ihn, als es darum ging, jemanden zu finden, der das private Kanzlerduell am 28. August für Sat.1 bestreitet.
Das TV-Duell wollten ja alle Sender dringend haben, auch die ProSiebenSat.1-Gruppe. Deshalb erbot sich der damalige Informationsvorstand Claus Larass auch recht schnell, Sendezeit auf Sat.1 und dem zur Gruppe gehörenden Nachrichtensender N24 zur Verfügung zu stellen. Sat.1-Chefredakteur Jörg Howe brachte den Grund für diesen Wunsch vergangenen Sonntag gegenüber dem NDR recht deutlich auf den Punkt: Image.
Mit dem Image von Sat.1 als Informationssender ist es nämlich nicht weit her. Bei RTL hat man wenigstens noch Peter Kloeppel, dessen Name sich mantraartig wiederholen lässt, wenn die Frage nach Informationskompetenz kommt. Bei Sat.1 fällt, wie gesagt, der Name Peter Limbourg. Hoffmann meint, dass das Kanzlerduell die „politische Berichterstattung von Sat.1 abrundet“.
Denn auch bei Sat.1 ist man auf die Idee gekommen, dass das Interesse der Zuschauer an Politik während des Bundestagswahlkampfs besonders groß sein könnte. Deshalb – und möglicherweise aus Mangel an jungen fähigen Leuten – wurde jetzt Erich Böhme (Jahrgang 1930) reaktiviert. Laut Sat.1-Sprecher Dieter Zurstraßen der „Erfinder des modernen Polittalks im Fernsehen“ beziehungsweise „ein Monolith des politischen Fernsehens“ (Sat.1-Geschäftsführer Martin Hoffmann). Er soll wohl für die Anreicherung des eher emotional geprägten Images von Sat.1 mit etwas Politik sorgen. „Weil wir mitwirken wollen im Bundestagswahlkampf“, wie Hoffmann sagt.
Böhme wird also noch einmal für Sat.1 „Talk im Turm“ wiederbeleben. Achteinhalb Jahre lang hatte er das bis 1997 gemacht, dann wollte er eigentlich für Jüngere das Feld räumen, machte aber bis jetzt mit Heinz Eggert noch den „Grünen Salon“ auf n-tv. Fünf Sendungen wird Böhme machen, vier vor dem 22. September, eine danach. Und dann? „Dann dürft ihr mich in Frankreich besuchen“, kommentierte Böhme beim Empfang im Berliner Hotel Adlon seine Zukunft.
Fernsehen jedenfalls wolle er nicht mehr machen. Und politische Talks will Sat.1 dann (wieder) nicht mehr machen. „Es gibt dafür keinen Bedarf. Sie sehen das an unserer Programmentscheidung, dass wir das danach nicht mehr für notwendig halten“, sagte Hoffmann. Das ist freilich eine etwas sonderbare Begründung. Doch für Hoffmann gibt es ohnehin eine „Inflationierung des politischen Talks“, die zulasten von gut recherchierten Dokumentationen gehe. Auch die sind allerdings eher dünn gesät im Sat.1-Programm.
Sat.1 ist also nicht wirklich ein Informationssender – zum Vollprogramm reicht es wohl gerade noch. Allzu stark übertreibt man aber wohl nicht, wenn man Sat.1 mit RTL 2 vergleicht, dessen Informationsanteil so gering ist, dass der Sender im Februar in Nordrhein-Westfalen schon drohte, auf die hinteren Kabelplätze abzurutschen. Doch zur Klassifizierung „Spartenprogramm für Unterhaltung“ ist es ein weiter Weg, weil sich vieles, was eher in die Kategorie Klatsch und Tratsch gehört, als Information deklarieren lässt.
Vor der Wahl jedenfalls wird sich der Info-Anteil von Sat.1 immerhin ein wenig erhöhen. Bereits seit Juni laufen unter dem Titel „Duell 2002 – Das Interview“ Sommerinterviews mit Spitzenpolitikern, in denen es meist allerdings ganz ordentlich menschelt. Moderiert wird die Reihe von Nachrichtensprecherin Astrid Frohloff und Peter Limbourg.
Dem großen K-Duell am 25. August wird eine Analyse angehängt, und es gibt die übliche Berichterstattung vor und nach der Wahl am 22. September – „Wahl Spezial“ wird etwa 15 Minuten dauern, dann gibt es zur Entspannung eine „Polit-Sitcom“, worauf wieder Wahlberichterstattung folgt, die dann direkt in die Bundesligaberichterstattung übergehen soll.
Insofern ist die „Talk im Turm“-Reihe also tatsächlich so etwas wie ein politisches Highlight im Sat.1-Programm. Doch mit der letzten Sendung, die auch Böhmes Fernsehlaufbahn beenden soll, begibt sich Sat.1 dann wieder auf gewohntes und – in diesem Fall tatsächlich sehr reizvolles – Terrain: Am Montag nach der Wahl werden nämlich keine Politiker zu Gast sein, sondern da hat Böhme „meine Freunde Harald Schmidt und Günther Jauch eingeladen“. Denn: „Die sind doch nicht politisch doof.“
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