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Die Hütchenspielerin

Leni Riefenstahl spielt bei der Diskussion ihrer Rolle im Dritten Reich Katz und Maus. Das Spätwerk „Impressionen unter Wasser“ der einstigen Propagandafilmerin kommt derweil als blaues Säuseln daher und passt besser ins Kino als ins Fernsehen

von REINHARD KRAUSE

Artes gestriger Themenabend startete ungewohnt spät: um elf. Leni Riefenstahl – noch immer ein Wagnis! In diesem Fall lag das Risiko nicht so sehr darin, der einstigen NS-Parteitagsfilmerin ein Forum zu bieten, sondern im Mut, eine Art 45-minütigen Pausenfilm ins Programm des Kulturkanals zu nehmen.

Wer für kunsttaugliche bizarre Formen und strahlende Farben unempfänglich ist, wird das Werk der bald Hundertjährigen zumindest entspannend gefunden haben. Ein Fisch schwimmt nach links, der Schwarm folgt, dann bricht einer aus, schwimmt zurück nach rechts. Besonders gelungen: plötzliche Diagonalen nach links unten. Hat das etwas zu besagen? Vielleicht dies: Massenszenen gelingen ihr immer noch am besten!

Andere Tierfilmer drehen engagierte Reportagen aus den bedrohten Tauchparadiesen dieser Welt – Leni Riefenstahl genügt es, die verborgene Schönheit in brillante Bilder zu bannen. Fertig ist das Plädoyer zum Erhalt der Korallenriffe, wo auch immer sie sich befinden. Keine umständlichen Worte zum Ökosystem, aber auch keine unvermeidlich kopulierenden Tiere, kein submariner Überlebenskampf.

Doch halt! Einmal verbeißt sich etwas Fischartiges in etwas Gallertartigem. Oder war es umgekehrt? Man weiß es nicht so genau, es gibt ja nur die Bilder – und die säuselnde Musik von Giorgio Moroder, die im Süßwasser zwischen „I like Chopin“ und „Oxygène IV“ planscht. Jeder Seeigel hat seinen Plüschsound, jedes Seepferdchen sein elektronisches Surren. Unversehens tauchen sogar veritable Haie auf, da wird die Musik ganz tief und wummerig. Der Zuschauer jedenfalls zuckt zusammen ob der plötzlich wimmelnden dunklen Leiber inmitten all der blau umspülten Schönheit.

Wahrscheinlich hat Riefenstahl Recht. Weckt der unkommentierte Blick ins Paradies der Tiefe nicht mehr Enthusiasmus als unsere durchformatierten Tiersendungen? Allerdings bewies die Kino-Uraufführung von „Impressionen unter Wasser“ tags zuvor, dass eigentlich nur die große Leinwand dem Farbrausch angemessen ist.

Da es nach wie vor keine Riefenstahl-Sendung ohne aufklärerisches Begleitprogramm gibt, spazierte anschließend Sandra Maischberger durch den Riefenstahl’schen Garten und tat, als habe sie nicht Leni die Schreckliche vor sich, sondern jemand von der Hamburg-Mannheimer: „Ach, hihi, Frau Riefenstahl!“ Die alte Dame ließ sich brav durchs eigene Haus und das umfangreiche Riefenstahl-Archiv führen. Vor einer stasitauglichen Aktenschrankwand hielt man inne. Ein Griff, und Frau Maischberger präsentierte einen schmalen Ordner mit dem Titel „Presse/Angriffe“. „Wieso heben Sie so etwas auf?“ „Das wäre ja nicht gut, wenn ich nur das Positive aufheben würde!“ Alle Achtung, dachte man da. Obwohl es sich doch nur um ein „Best of“ der Angriffe handeln konnte!

Jedes Riefenstahl-Interview ist ein Katz-und-Maus-Spiel. Maischbergers Konzept war klug gewählt: Umzingeln durch Negation. Ob Riefenstahl eine Verführerin sei? Nein. Dann wurden Sie also von Hitler ausgenutzt? Ach nein. Dann haben Sie die Parteitagsfilme also gerne gemacht? Aber nein, ich wurde gezwungen! Könnte man dann aber sagen, Sie hätten Hitler ausgenutzt? Ich war doch vorher schon bekannt! – Und so flutschte die Jagdbeute ein ums andere Mal durch die Maschen der Festlegung. Riefenstahl war die Hütchenspielerin, die Maischberger Deckelchen um Deckelchen aufdecken ließ – und nirgends lag eine braune Perle darunter.

Einmal aber punktete sie doch: Als Riefenstahl sagte, sie habe eigentlich wenig mit Männern zu tun gehabt. „Das waren höchstens vier in meinem ganzen Leben.“ Maischberger: „Mit denen sie eine richtige Beziehung hatten. Aber eine sexuelle Beziehung mit mehr!“ Riefenstahl verschämt: „Nicht gerade sehr viel mehr.“ – „Aber mehr.“ – „Mehr schon, ja.“ Dann die Revanche. Hitler, so Maischberger, sei in Riefenstahl verliebt gewesen. Verdutzte Abwehr. „Aber Sie schreiben, dass er sie küssen wollte!“ – „Deshalb muss er doch nicht verliebt gewesen sein!“

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