: Polizei steht auf der langen Leitung
Das Informationssystem Verbrechensbekämpfung der Polizei stammt noch aus den 70er-Jahren. Neuere Systeme gibt es zwar, sie laufen aber nicht richtig. Zudem hat die Behörde kein Geld für Durckerkartuschen, Papier und Internetgebühren
von OTTO DIEDERICHS
Um das Informationssystem Verbrechensbekämpfung (ISVB) der Berliner Polizei steht es schlecht. Zunehmend gerät es an die Grenze seines Leistungsvermögens und muss spätestens 2005 vom Netz. Nicht selten falle das Mitte der Siebzigerjahre installierte System schon heute „stundenweise“ aus, klagen Kriminalbeamte. Die Straftatenaufklärung werde so zum Teil erheblich behindert. Schwierigkeiten beim ISVB räumt auch Ulrich Bechem, Leiter der Abteilung Information und Kommunikation (IuK) im Polizeipräsidium, ein. Gerade „in Spitzenzeiten“ könne es „zu einer Überlastung“ kommen.
Um es zu ersetzen, werde bereits seit anderthalb Jahren am Aufbau von Poliks (Polizeiliches Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung) gearbeitet. Dies ist schon deshalb notwendig, weil eine Anbindung an das beim Wiesbadener Bundeskriminalamt geplante bundeseinheitliche System Inpol-neu und das Schengen-Informationssystem SIS nur noch zeitlich begrenzt möglich ist. Nach zwei Fehlstarts von Inpol-neu sei man hier jedoch „aus der bisherigen Zeitfalle heraus“, sagt der IuK-Chef. Noch im Frühjahr sah es mit der Modernisierung der polizeilichen Datenverarbeitung ziemlich schlecht aus, doch trotz der beschlossenen Sparmaßnahmen scheint man noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen zu sein. Die im Doppelhaushalt 2002/2003 gekürzten Gelder für Poliks seien ab 2004 wieder eingeplant. Die noch notwendigen 42 Millionen Euro des insgesamt zirka 64 Millionen Euro teuren Projekts seien gesichert, sagt Bechem. Daher glaubt er, das neue Poliks-System 2003 mit zunächst 2.500 PCs in Betrieb nehmen zu können.
Aus dem Sofortprogramm, das der Senat nach den Anschlägen vom 11. September zur Verbesserung der inneren Sicherheit beschlossen hatte, ist rund 1 Million Euro in die Modernisierung der Datenverarbeitung geflossen. Dies und Umschichtungen im Polizeihaushalt haben die Anschaffung von 1.000 PCs ermöglicht. Weitere rund 1.500 poliksfähige Computer wurden bereits im Rahmen des so genannten Berliner Modells beschafft, bei dem die Schutzpolizei kleinere Straftaten selbst bearbeitet, um die Kriminalpolizei zu entlasten. Aber gerade dies hat zur zusätzlichen Belastung des ISVB geführt.
Doch auch mit moderneren Systemen wie etwa Bidavis, der digitalen Version des alten „Verbrecheralbums“, gibt es offenbar Schwierigkeiten. Seit einigen Monaten ist Bidavis, in dem rund 220.000 Fotos gespeichert sind, installiert und soll von den sieben Berliner Polizeidirektionen online beim Landeskriminalamt (LKA) abrufbar sein. Für die Beamten wie für Bürger soll so der Aufwand bei der Identifizierung von Tätern vereinfacht werden. Allerdings sei Bidavis mit vielen Fehlern behaftet, heißt es in Kripokreisen. So sei der Bildaufbau zu langsam, bei der Wahlvorlage von mehreren Fotos könne es „Stunden dauern“. Dies sei potenziellen Zeugen kaum zumutbar, also fahre man in solchen Fällen immer noch ins LKA und führe die Vorlage dort durch.
Vorläufig ganz gestrichen hat man das 1,3 Millionen Euro teure digitale Fingerabdrucksystem Fabis. Es soll nun bei der nächsten Finanzplanung wieder „mit Priorität“ angemeldet werden. Warten muss auch die zweite Ausbaustufe der polizeilichen Einsatzleitzentrale. Hier wird nur eine schrittweise Verbesserung der veralteten Technik möglich sein.
Völlig aus dem Ruder laufen offenbar jedoch die Folgekosten des neuen Computerzeitalters bei der Polizei. Was in jedem Kleinstbetrieb bei der Anschaffung von Bürotechnik mitberücksichtigt wird, wurde bei der Haushaltsplanung für die Polizei offenbar vergessen. So sei in den Beratungen im Abgeordnetenhaus der Finanzbedarf für Lizenzen, Telefon- und Internetkosten, Druckerkartuschen und Papier dem erweiterten Computerbestand nicht angepasst worden, sagt Bechem. Derzeitiges Defizit: rund 6 Millionen Euro.
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